Flüchtlinge:Höchste Zahl von Abschiebungen seit 2003 erwartet

Abschiebung

Abgelehnte Asylbewerber werden in Leipzig zum Flughafen gebracht. Das geschieht in Deutschland immer häufiger.

(Foto: dpa)
  • Bis Ende 2016 könnte die Zahl der Abschiebungen Schätzungen zufolge auf 26 500 ansteigen, schreibt die Rheinische Post - dies wäre der höchste Stand seit 13 Jahren.
  • Betroffen waren in diesem Jahr vor allem Menschen aus den Westbalkanstaaten, aber auch Russen, Georgier, Rumänen und Ukrainer. Syrer und Afghanen wurden ebenfalls häufiger abgeschoben als im Vorjahr.
  • Auch an den Grenzen werden öfter Einwanderer abgewiesen, bevor sie in Deutschland einen Asylantrag stellen können.

Von Markus C. Schulte von Drach

Die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland ist deutlich gestiegen. Bis einschließlich Oktober wurden in diesem Jahr bereits 21 789 Menschen abgeschoben. Das bestätigte die Bundespolizei auf Nachfrage von SZ.de. Zuvor hatte die Rheinische Post (RP) unter Hinweis auf Unterlagen der Behörde berichtet, dass bis zum September 19 914 Menschen abgeschoben wurden.

Im ersten Halbjahr hatte die Zahl bei 13 743 Abschiebungen gelegen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Bis Ende 2016 könnte die Zahl Schätzungen zufolge auf 26 500 ansteigen, schreibt die RP - dies wäre der höchste Stand seit 13 Jahren.

Im vergangenen Jahr waren 20 888 Menschen abgeschoben worden. Bereits diese Zahl war fast eine Verdopplung im Vergleich zu den Vorjahren.

2003 waren in etwa genauso viele Menschen abgeschoben worden wie voraussichtlich in diesem Jahr. Deutlich höher hatten die Zahlen noch im Jahr 2000 gelegen: Damals waren sogar 35 444 Menschen abgeschoben worden.

2016 hat die Polizei der RP zufolge vor allem Personen aus Westbalkanstaaten abgeschoben, die sich illegal in Deutschland aufgehalten oder deren Asylantrag die Behörden abgelehnt hatten. Betroffen waren mit 14 592 Abschiebungen vor allem Menschen aus Albanien, dem Kosovo, Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro.

Alle diese Länder gelten seit 2015 als sichere Herkunftsländer, weshalb Asylanträge von Bürgern dieser Staaten nur sehr geringe Chancen auf Anerkennung haben.

Abgeschoben wurden darüber hinaus vor allem Russen, Georgier, Rumänen und Ukrainer. Aber auch Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan wurden häufiger in ihre Heimatländer zurückgeschickt als zuvor. 426 Syrer mussten Deutschland in diesem Jahr bereits verlassen - mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Auch bei Afghanen liegt die Zahl der in 2016 bisher abgeschobenen Migranten mit 199 bereits höher als im ganzen Jahr 2015 (178). Allerdings werden Syrer und Afghanen in der Regel nicht in ihre Heimat geschickt, sondern in andere EU-Staaten oder als sicher geltende Drittstaaten.

Insbesondere für Afghanen ist das Risiko, abgeschoben zu werden, gegenwärtig gestiegen. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Partei Die Linke hervorgeht, wurden in diesem Jahr 12 539 Afghanen aufgefordert, das Land zu verlassen.

Im ersten Halbjahr 2016 wurden auch deutlich mehr Menschen an den Grenzen - insbesondere auf Flughäfen - abgewiesen als zuvor, wie die Bundesregierung bereits im August erklärt hatte. 13 324 Personen hatten demnach gar nicht erst die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Im Jahre 2015 waren es insgesamt 8913 Menschen, denen dies verwehrt wurde. Unter den Abgewiesenen waren 2016 mehr als 2500 Afghanen, 1300 Syrer, 1100 Iraker und fast 1000 Iraner.

Bereits zu den Halbjahreszahlen 2016 hatte der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert, dass die Zunahme der Abschiebungen vermutlich nicht nur durch einen Anstieg abgelehnter Asylanträge zu erklären sei. Die Behörden würden ihre Entscheidungsspielräume zunehmend weniger zu Gunsten der Betroffenen nutzen und auch Menschen abschieben, die bereits seit vielen Jahren in Deutschland sind. Sogar in Länder wie Saudi-Arabien, Sudan, den Iran sowie Somalia würden Migranten abgeschoben, obwohl dort die Einhaltung der Menschenrechte nicht gewährleistet sei.

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