Flüchtlinge - Hannover:Unterbringung von Flüchtlingen: Kommunen stoßen an Grenzen

Flüchtlinge - Hannover: Zelte zur Unterbringung von Geflüchteten stehen in der Überseestadt, angrenzend sollen zukünftig winterfeste Leichtbauhallen aufgebaut werden. Foto: Sina Schuldt/dpa
Zelte zur Unterbringung von Geflüchteten stehen in der Überseestadt, angrenzend sollen zukünftig winterfeste Leichtbauhallen aufgebaut werden. Foto: Sina Schuldt/dpa (Foto: dpa)

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Hannover/Bremen (dpa/lni) - In vielen Kommunen in Niedersachsen wird der Wohnraum für die Aufnahme von Geflüchteten zunehmend knapp. "Die Lage bei der Unterbringung der Flüchtlinge ist ähnlich wie während der Flüchtlingskrise 2015/2016", sagte der Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages, Hubert Meyer, der Deutschen Presse-Agentur. "Wir hören durchweg aus den Landkreisen, dass die Unterbringung in privaten Wohnungen weitgehend erschöpft ist. Fast alle Landkreise betreiben Sammelunterkünfte."

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Ende Februar hat Niedersachsen nach Angaben des Innenministeriums bis Ende September rund 106.000 Menschen aus dem Land aufgenommen. Wie viele in Niedersachsen geblieben sind, ist nicht bekannt - denn viele Flüchtlinge reisen nach der Aufnahme auch weiter. Auch rund 13.700 Asylsuchende nahm Niedersachsen in den zurückliegenden Monaten auf.

"Die Zahlen steigen aktuell deutlich", teilte das Ministerium mit. Als Gründe führt das Haus von Innenminister Boris Pistorius (SPD) neben dem Krieg in der Ukraine auch wiederaufflammende Konflikte, finanzielle Not und verschärfte klimatische Bedingungen in anderen Herkunftsländern an. Die Landesregierung geht davon aus, dass auch in den kommenden Wochen und Monaten die Zahl der Vertriebenen aus der Ukraine und der Asylsuchenden aus anderen Ländern hoch bleiben wird.

Welcher Landkreis wie viele Geflüchtete aufnimmt, regelt das Land über sogenannte Verteilkontingente. Im April betrug das gesamte Kontingent 100.000 Menschen. Inzwischen haben die Kreise und kreisfreien Städte ihre einzelnen Kontingente jedoch erfüllt oder nahezu erfüllt. Für das kommende halbe Jahr hat das Innenministerium die Kommunen daher angewiesen, insgesamt 70.000 weitere Schutzsuchende aufzunehmen.

Doch der Wohnraum in den Kommunen ist knapp. Einer Umfrage des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes ergab kürzlich, dass bereits die Hälfte der Kommunen für die Unterbringung von Geflüchteten auf Not- und Sammelunterkünfte zurückgreifen muss. Dabei soll eine solche Unterbringung laut dem Innenministerium eigentlich "weitestgehend vermieden werden". Aufgrund der angespannten Lage sei dies jedoch vermutlich nicht zu verhindern, hieß es allerdings auch.

Tatsächlich entstehen vielerorts in Niedersachsen und auch in Bremen schon solche Sammelunterkünfte. In Emden etwa wurde die Stadthalle umfunktioniert, in Aurich soll eine ehemalige Kaserne hergerichtet werden. In Bremen will der Senat winterfeste Leichtbauhallen für bis zu 1200 Menschen in der Überseestadt aufstellen. Diese sollen die großen Zelte ergänzen, die dort schon stehen. In Leer, Lüneburg und in Helmstedt wird bereits auf Turnhallen zurückgegriffen, die vorerst für den Schul- und Vereinssport nicht zur Verfügung stehen.

"Niemand möchte leichtfertig Turnhallen belegen. Aber wir stehen vor einer Situation, in der sich das in den kommenden Wochen und Monaten nicht vermeiden werden lässt", sagte Landkreistag-Geschäftsführer Meyer. Nach Möglichkeit würden zunächst leer stehende Liegenschaften gesucht. Doch dieses Angebot sei knapp. Es fehle schlicht an ausreichendem Wohnraum. Gerade in touristisch geprägten Regionen, etwa in Ostfriesland, sei die Nachfrage nach Wohnraum zuletzt weiter gestiegen. "Viele Wohnungen, die wir noch vor fünf, sechs Jahren hatten, stehen in der Zwischenzeit nicht mehr zur Verfügung, da sie mittlerweile etwa als Zweitwohnungen genutzt werden", sagte Meyer.

Der Landkreistag appelliert daher, auch größere Liegenschaften zu finden. Denn der organisatorische Aufwand sei für viele kleine Hallen und Unterkünfte, was Betreuung oder Sicherheitspersonal angehe, größer als in einzelnen großen Unterkünften.

Bislang habe die Aufnahme der vielen Flüchtlinge sehr gut funktioniert, sagte der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates in Niedersachsen, Kai Weber. Die Unterbringung in größeren Hallen sollte nun aber nur eine Zwischenlösung sein. Denn es brauche Wohnraum, um den Geflüchteten ein Ankommen in der Gesellschaft zu erleichtern, sagte Weber. Langfristig sei mehr sozialer Wohnungsbau nötig.

Kurzfristig könne helfen, die Quote bei den Kontingenten für die Kommunen zu verändern. "Wir brauchen hier intelligentere Systeme für eine bessere Verteilung der Menschen", sagte Weber. Dazu sollten stärker die konkreten Bedingungen vor Ort berücksichtigt werden. Denn noch gebe es Kommunen, wo die Lage vergleichsweise entspannt sei.

Das Innenministerium hat nach eigenen Angaben in diesem Jahr bereits die Kapazitäten der eigenen Landesaufnahmebehörde erhöht und will dies weiter tun. Ende September verfügte die Behörde für die Erstaufnahme an allen ihren Standorten über insgesamt 6800 Plätze.

Die Auslastung liegt aktuell bei 123 Prozent. Geplant sei, weitere Plätze etwa in Jugendherbergen und mithilfe von Containern an bestehenden Standorten zu schaffen, teilte das Ministerium mit. Zurzeit wird auch die ehemalige Kaserne des Bundesgrenzschutzes in Bad Bodenteich im Landkreis Uelzen ertüchtigt. Dieser Standort wurde bereits 2015/16 für die Unterbringung von geflüchteten Menschen genutzt und dient seitdem als eine Reserveliegenschaft.

Am 11. Oktober will die Bundesregierung bei einem Treffen mit kommunalen Spitzenverbänden über eine bessere Verteilung von Geflüchteten in Deutschland sprechen. Das Innenministerium erklärte, dass die Unterbringung der Menschen nur in einer "gemeinsamen Kraftanstrengung" von Bund, Land und Kommunen gelingen werde.

© dpa-infocom, dpa:221002-99-976235/3

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