Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:Gericht stärkt Recht auf Familiennachzug

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Wer unter 18 einen Asylantrag gestellt hat, darf seine Familie auch dann nachholen, wenn er zum Zeitpunkt seiner Anerkennung bereits volljährig ist. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Europäische Gerichtshof hat das Recht auf Familiennachzug für minderjährige Flüchtlinge aufgewertet. Nach den Worten des EU-Gerichts besteht ein wirksamer Anspruch, die engsten Verwandten nach Deutschland nachzuholen, wenn der Flüchtling zum Zeitpunkt der Einreise und der Stellung des Asylantrags unter 18 Jahre alt war. Der Anspruch bleibt also bestehen, selbst wenn er oder sie vor Abschluss des Verfahrens die Volljährigkeitsgrenze überschreitet. Geklagt hatte eine junge Frau aus Eritrea, die ohne Eltern in die Niederlande eingereist war und nach Stellung des Asylantrags, aber vor ihrer Anerkennung volljährig geworden war. Die zuständige Behörde lehnte ihren Antrag auf Zusammenführung mit ihren Eltern und den drei minderjährigen Brüdern ab - weil sie bereits volljährig gewesen sei, als sie den Familiennachzug geltend gemacht habe. Laut EuGH verstößt dies gegen die EU-Richtlinie über die Familienzusammenführung, und zwar deshalb, weil der Schutz ansonsten von der mehr oder weniger langen Bearbeitungsdauer des Asylantrags abhinge. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hätten aber "ein Recht auf eine Familienzusammenführung, das nicht in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt ist", befand der EuGH. Laut Pro Asyl wird es den Behörden damit erschwert, Verfahren zu verschleppen, um den Familiennachzug zu behindern. Das Urteil bezieht sich allerdings nur auf nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Flüchtlinge, nicht auf den "subsidiären Schutz", für den der Familiennachzug bis Ende Juli ausgesetzt ist. Ob diese Aussetzung rechtens ist, darüber wird dürfte bald das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Den Eilantrag eines jungen Syrers auf Nachzug seiner Mutter hat das Gericht zwar kürzlich abgelehnt - will aber im Hauptsacheverfahren klären, ob das mit dem Schutz der Familie vereinbar ist.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2018
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