Flüchtlinge:Je besser Grenzen bewacht sind, desto besser verdienen Schlepper

Flüchtlinge: Kein Zaun hält sie auf: Flüchtlinge an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn

Kein Zaun hält sie auf: Flüchtlinge an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn

(Foto: AFP)

Menschenschmuggler verdienen Unsummen mit Flüchtlingen. Man könnte ihnen das Handwerk legen - indem man die Grenzen nach Europa öffnet.

Ein Kommentar von Florian Hassel

Selten ist ein internationales Politikertreffen so von der Tagesaktualität überschattet worden wie nun die Westbalkankonferenz in Wien. Als ob die Bilder der vergangenen Wochen nicht gereicht hätten, erreichte die Flüchtlingskrise mit der Entdeckung von bis zu 50 offenbar qualvoll erstickten Menschen in einem Schlepperlastwagen einen neuen, dramatischen Höhepunkt. Das Sterben rückte so noch näher als etwa im Fall der 49 Flüchtlinge, die Mitte August vor der Küste Libyens in einem Schlepperboot umkamen.

Schockierte Politiker kündigten nach der Entdeckung der Toten ein schärferes Vorgehen gegen Schlepper an - ein nicht nur in Österreich übliches und ebenso verständliches wie unrealistisches Versprechen. Die Gewinnspannen beim Menschenschmuggel sind so gigantisch wie sonst nur im Drogenhandel, die Schleppergruppen so reich, dass sie Polizisten, Grenzer und in manchem Transitland auch höhere Staatsdiener problemlos kaufen können - wenn diese den Menschenschmuggel nicht gar selbst organisieren.

Es dürfte nur die Spitze eines Eisbergs gewesen sein, als etwa Serbien Mitte Juni knapp 40 Polizisten und Zöllner verhaftete, die an der Grenze zu Ungarn am Menschenschmuggel beteiligt waren. Vor diesem Hintergrund dient selbst ein erfolgreiches Vorgehen gegen einzelne Schlepper nur der Beruhigung des Gewissens und des Publikums, ändert aber wenig am Problem.

Es ist richtig, überforderten Transitländern zu helfen

Wer Schleppern wirklich das Handwerk legen wollte, müsste ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen, also die Grenzen Europas für Flüchtlinge öffnen. Dazu sind europäische Politiker aus naheliegenden Gründen nicht bereit. Da im Gegenteil Länder wie Ungarn mit neuen Zäunen, womöglich auch mit dem Einsatz des Militärs versuchen, die Flüchtlinge abzuhalten, werden sich schon bald wieder mehr verzweifelte Migranten an Schlepper wenden. Auf eigene Faust, nur mit der Karte in ihrem Mobiltelefon, werden sie die Wege über die Grenzen dann nicht mehr finden.

Auch andere Probleme der Flüchtlingskrise haben keine einfachen Lösungen. Gewiss ist es richtig, angesichts der Not von Zehntausenden Flüchtlingen, die vor Krieg und Verfolgung aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea nach Europa fliehen, den überforderten Transitländern wie Griechenland, Mazedonien oder Serbien zu helfen. Genauso richtig ist es allerdings auch, diejenigen, die einen berechtigten Anspruch auf Asyl haben, von denjenigen zu trennen, die lediglich wegen der Armut und der Rückständigkeit in ihrer Heimat auswandern. Das gilt vor allem für Kosovaren, Albaner und Serben. Sie sollten nach einem beschleunigten Asylverfahren wieder in ihre Länder abgeschoben werden.

Der Balkan ist für westliche Firmen vor allem ein Niedriglohngebiet

Doch auch das ist am Ende nur ein Herumdoktern am Symptom. Die Krankheit ist eine andere: Noch nie war es für die jungen, ambitionierten Bürger der zurückgebliebenen, armen Balkanländer so leicht wie heute, ins reiche Westeuropa zu reisen. Die Idee, vor allem den jungen Menschen auf dem Balkan Gründe zum Bleiben zu geben - sprich: ordentlich bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen -, klingt gut.

Doch abgesehen von ein paar Glücklichen in Sofia oder Belgrad, die im Dienste westlicher Mobiltelefon- oder Softwarefirmen tatsächlich gute Gehälter von 2000 Euro oder mehr beziehen, ist der Balkan für westliche Firmen vor allem ein Niedriglohngebiet. Monatslöhne von 300 Euro sind nicht selten.

Das müsste sich ändern. In der Realität aber - angesichts korrupter Regierungen, von Gesellschaften, die immer noch von Patronage dominiert werden und zurückgebliebener Schulen und Universitäten - wird das selbst im besten Fall Jahre, wahrscheinlich eher Jahrzehnte dauern. Bis dahin werden die Menschen ihr Glück weiter in Westeuropa suchen.

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