Flüchtlinge:Berliner Vollpension

1,5 Milliarden Euro will der Bund den Ländern künftig im Jahr für Flüchtlingskosten bezahlen. Die Unterkunft wird komplett übernommen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Bundesregierung ist bereit, Länder und Gemeinden noch stärker als bisher angeboten bei der Integration anerkannter Asylbewerber zu unterstützen. Kanzleramtschef Peter Altmaier erklärte auf einem Vorbereitungstreffen des für Donnerstag geplanten Integrationsgipfels, der Bund sei bereit, "die flüchtlingsbezogenen Kosten der Unterkunft zu 100 Prozent zu übernehmen". Das geht aus einem Gesprächsprotokoll des Treffens hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es ist auf diesen Dienstag datiert und bezieht sich auf das Treffen vom Vortag im Bundeskanzleramt. Altmaier bezeichnete die vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft zugleich als "Teil der substanziellen Entlastung".

Der Bund legt sich mit diesem Vorschlag erstmals auf einen konkreten Zuschuss fest. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuletzt bei der Vorstellung der Steuerschätzung vergangene Woche in Berlin allgemein angeboten, die Kommunen bei den Kosten der Unterkunft für Asylbewerber "weiter zu entlasten". Konkrete Zahlen nannte er nicht.

Die Kostenkalkulation geht von rund 1,5 Millionen Asylbewerbern bis 2020 aus

Finanzstaatssekretär Werner Gatzer bezifferte die Kosten für den Bund am Montag auf "jetzt 700 Millionen Euro und perspektivisch 1,5 Milliarden Euro pro Jahr". Wie die Zuschüsse auf die Länder verteilt und abgerechnet werden, soll bis Donnerstag vorläufig geklärt werden. Ob und in welchem Umfang sich der Bund darüber hinaus mit zusätzlichen Finanzspritzen an der Integration der bestätigten Asylbewerber beteiligt, blieb in den Vorbereitungsgesprächen offen. Es sei "noch zu früh", darüber zu entscheiden, wird Altmaier zitiert.

Aus Länderkreisen verlautete am Dienstag, auch das neue Angebot des Bundes reiche bei Weitem nicht aus, um die tatsächlich anfallenden Kosten für Integrationsleistungen zu decken. Die Länder beziffern ihre flüchtlingsbezogenen Ausgaben für dieses Jahr auf 21 Milliarden Euro. Das sei deutlich mehr, als der Bund leiste, verlautete aus Kreisen der Unterhändler. Um Länder und Kommunen wirklich spürbar zu entlasten, müsse der Bund die Hälfte der Kosten übernehmen, die diese zusätzlich zahlten. Das lehnt der Bund bisher ab. Und argumentiert seinerseits, dass er bereits die Hälfte der Kosten trage. Im laufenden Jahr bekämen die Länder ohnehin schon 4,5 Milliarden Euro für Flüchtlinge. Zugleich beziffert das Bundesfinanzministerium die "Asylbelastungen des Bundeshaushaltes" auf 16,05 Milliarden Euro in diesem Jahr. Damit sei der Bund bereits in Vorleistung, hieß es in Berlin.

Der Streit soll in den nächsten Wochen bis zur Bund-Länder-Sonderkonferenz am 31. Mai geklärt werden. Dazu sollen die Vorschläge aus den einzelnen Ländern in einem Arbeitspapier zusammengefasst und an Altmaier und Gatzer übermittelt werden. Danach wird gemeinsam entschieden. Die Kostenkalkulationen beruhen auf der Annahme, dass bis 2020 etwa 1,5 Millionen Asylbewerber ins Land kommen und 60 Prozent der Asylanträge bewilligt werden.

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