Flüchtlinge:Allzu fester Wohnsitz

Die meisten Migranten zieht es in die Metropolen - dort leben mittlerweile doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt. Die neue Wohnsitzpflicht, die seit August gilt, soll dies ändern. Doch die starre Verteilung von Flüchtlingen hilft nicht immer bei der Integration.

Von Jan Bielicki

Afghanen zieht es nach Hamburg, Syrer an Rhein und Ruhr, Hannover ist bei Irakern besonders beliebt. Flüchtlinge werden zwar nach ihrer Ankunft relativ gleichmäßig über das Bundesgebiet verteilt. Doch viele bleiben nicht dort, wo die Behörden sie hinschicken, sie ziehen weiter - meist in Ballungsräume. In Großstädten wie Hamburg, Essen, Bremen oder Berlin kommen inzwischen sechs Flüchtlinge auf 100 000 Einwohner, das sind doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt.

Weil die Unterbringung von Flüchtlingen in Städten, in denen es ohnehin an günstigem Wohnraum mangelt, schwierig ist, und in den Rathäusern die Furcht wächst, es könnten sich ghettoartige Migrantenviertel bilden, gilt seit August eine sogenannte Wohnsitzpflicht. Flüchtlinge, die Hilfe vom Staat bekommen, müssen nach ihrer Anerkennung drei Jahre lang in dem Bundesland leben, dem sie zugeteilt wurden. Zudem erlaubt der Bund den Bundesländern, Flüchtlingen auch innerhalb des Landes per Wohnsitzauflage vorzuschreiben, wo sie zu wohnen haben.

Das Problem: Wo Wohnungen leer stehen, sind oft Arbeitsplätze rar

Nur: Bringt diese Einschränkung der Freizügigkeit wirklich etwas für das Ziel, die Neuankömmlinge zu integrieren? Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration kommt in einer Untersuchung, die er am Dienstag in Berlin vorstellte, zum Ergebnis: ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Mit Wohnsitzauflagen ließen sich Zuwanderer zwar gleichmäßiger verteilen, dies bedeute "aber noch lange nicht, dass Integration gelingt", warnt die Studie.

Die Forscher schlagen vor, die Flüchtlinge nach drei Kriterien zu verteilen: Wohnungsleerstand, örtliche Arbeitslosenquote, Angebot an Ausbildungsplätzen. Das Problem dabei zeigen sie am Beispiel Brandenburg: Wo Wohnungen leer stehen, sind oft Arbeitsplätze rar. Zudem müsse darauf geachtet werden, dass es genügend Plätze in Schulen, Kitas und Integrationskursen gebe. Wenn die Behörden aber "passgenau" auf Qualifikation, familiäre Bindungen und die Pläne der Flüchtlinge eingingen, ließen sich gerade Familien dazu bewegen, in ländlichen Gebieten zu leben, so glauben die Forscher. Sie warnen allerdings vor einem "hohen Bürokratieaufwand" bei der Durchsetzung der Auflagen. Verstöße dürften "in der Praxis nur schwer nachzuweisen sein".

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