Wenn europäische Politiker nach Afrika reisen, ist ein schönes Ritual zu beobachten. Bisher habe man den Kontinent viel zu wenig beachtet, sagen sie zum Auftakt ihres Besuchs gern, aber damit sei jetzt Schluss, schließlich gelte es, gemeinsame Probleme zu bekämpfen. Außerdem sei Afrika mit seinen vielen jungen Menschen und dem enormen Wirtschaftspotenzial der Kontinent der Zukunft - Europa könne es sich gar nicht mehr leisten wegzuschauen. "Ich glaube, dass wir uns sehr viel stärker noch für die Geschicke Afrikas interessieren müssen", sagte auch die Kanzlerin, bevor sie vergangenen Sonntag nach Mali, Niger und Äthiopien aufbrach.
Solche Sätze sind nicht falsch. Im Gegenteil. Merkwürdig ist nur, dass sie immer wieder von Neuem fallen. Denn geändert hat sich die Afrika-Politik Deutschlands und Europas in den vergangenen Jahren praktisch nicht.
Nun liegt allerdings ein außergewöhnliches Jahr hinter der EU. Die Flüchtlingskrise hat Afrika auf der politischen Agenda ganz nach oben katapultiert. Denn wie, wenn nicht gemeinsam mit den Afrikanern, wollen Angela Merkel und ihre europäischen Kollegen erreichen, dass 2015 ein Sonderfall bleibt? Es ist also an der Zeit, Bilanz der Afrika-Politik zu ziehen, um dann mit neuen, besseren Plänen auf den Nachbarkontinent zuzugehen. Nur: Was die Kanzlerin auf ihrer Reise von West- nach Ostafrika verkündet hat, zeigt, dass sich immer noch nichts tut.
Neben Unterstützung fürs Militär sagte Merkel in Mali Hilfe für die Landwirtschaft zu, in Niger sollen mit deutschem Geld Jobs geschaffen werden, damit Schleuser andere Arbeit finden. Das klingt zwar irgendwie nach "Fluchtursachen bekämpfen". Aber die vermeintlich neuen Ideen sind in Wahrheit alte Rezepte, die Deutschland und andere Geberländer seit Jahrzehnten in Afrika anwenden.
Wenn Europa Afrika weiter zum Freihandel drängt, entwertet es die Hilfe, die es selbst gewährt - und schafft immer mehr Flüchtlinge
Hunderte Milliarden Euro sind seit den Sechzigerjahren an Entwicklungshilfe in afrikanische Staaten geflossen. Ein Erfolg ist kaum spürbar. In vielen Ländern des Kontinents sind die wirtschaftlichen Aussichten bis heute zum Davonlaufen, selbst Menschen mit Hochschulabschluss finden nur schwer einen Job. Die frustrierenden Zustände treiben viele in die Flucht - und führen manchmal zu Gewalt, was noch mehr in die Flucht schlägt. Das ist zwar nicht flächendeckend so, aber schon einige afrikanische Länder reichen aus, um die Flüchtlingsboote in Libyen zu füllen. 80 Prozent der Flüchtlinge, die 2016 in Italien landeten, kommen aus nur zehn afrikanischen Staaten, die meisten aus Nigeria, Eritrea, dem Sudan und Gambia.
Es gibt Erklärungen für den mäßigen Erfolg von Entwicklungs-Zusammenarbeit, viele liegen in Afrika selbst. Einige Regierungen denken bei ihrer Haushaltsplanung eher ans Militär als an Schulen und Krankenhäuser, oft versickert Geld und Engagement in korrupten Strukturen. Doch den größten Denkfehler, das lehrt Merkels jüngste Initiative, machen die Europäer selbst.