Süddeutsche Zeitung

Flucht des serbischen Ex-Generals:Mladics Sohn weist Massaker-Vorwürfe zurück

Eine Demonstration für die Freilassung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic in Belgrad endet in Gewalt und Chaos. Sein Sohn beteuert, Mladic habe viele Muslime gerettet - die Massaker seien "hinter seinem Rücken" passiert.

Nach der Festnahme des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic äußerte sich sein Sohn zu den Vorwürfen gegen seinen Vater - und beteuert dessen Unschuld.

Darko Mladic erklärte, sein Vater habe nichts mit dem Massaker von Srebrenica 1995 zu tun gehabt. "Was auch immer getan wurde, es wurde hinter seinem Rücken getan", sagte Mladic junior am Sonntag vor dem Gefängnis, in dem sein Vater festhalten wird. Vielmehr habe der General Muslimen geholfen und "so viele Frauen, Kinder und Kämpfer gerettet".

In Belgrad ist es bei einer Demonstration für Mladic am Sonntagabend zu schweren Ausschreitungen gekommen. Rechtsextremisten lieferten sich offenbar im Zentrum der serbischen Hauptstadt Straßenschlachten mit der Polizei. Steine flogen, Fenster gingen zu Bruch. Die Demonstranten warfen Mülltonnen um, zerstörten Ampeln und setzten Feuerwerk ein, sie sangen nationalistische Lieder oder trugen Mladic verehrende Spruchbänder. Einige riefen rechtsradikale Parolen oder machten den Hitler-Gruß.

Angesichts von Gewalt und Chaos brach die extrem nationalistische oppositionelle Radikale Partei (SRS) die Demonstration gegen die drohende Auslieferung des Ex-Generals an das Den Haager UN-Kriegsverbrechertribunal ab. Mit einigen tausend Menschen waren allerdings deutlich weniger als erwartet zur Unterstützung von Mladic vor dem Parlament im Zentrum Belgrads erschienen.

Unterdessen werden immer mehr Details über Ratko Mladics Leben im Untergrund bekannt - sowie über den Ablauf seiner Verhaftung. Allerdings bleibt nach wie vor ungeklärt, wie die Ermittler nun eigentlich auf die Spur des früheren Generals kamen, der so viele Jahre unentdeckt oder zumindest unbehelligt leben konnte.

Nun berichtet eine Zeitung, dass sich der international gesuchte Mladic nach einem Herzinfarkt eine Zeitlang in einem Frauenkloster versteckt haben soll. Anfang Oktober 2006 sei er nach einem Infarkt ins Kloster der Heiligen Melanie bei der nordserbischen Stadt Zrenjanin gebracht worden, berichtete die gewöhnlich gut informierte Zeitung Blic in Belgrad.

In der Nähe von Zrenjanin war der 69-Jährige auch am Donnerstag im Dorf Lazarevo entdeckt und verhaftet worden. Die Schwestern des Klosters hätten den mit dem Tod ringenden Mladic in einer Zelle abgeschirmt und mit ärztlicher Hilfe versorgt, berichtete die größte Zeitung im Land weiter, unter Berufung auf Quellen aus dem für das Kloster zuständigen Bistum.

Da man mit dem Ableben des Ex-Generals gerechnet habe, sei die Kirchenkrypta als Grab hergerichtet worden. Nach einem Monat habe sich Mladic allerdings weitgehend erholt und sei mit unbekanntem Ziel abgereist.

Der zuständige serbische Minister gab unterdessen genauere Informationen über die Verhaftung Mladics bekannt. Als die Polizei den Garten des kleinen Hauses in Nordserbien stürmte, wo der Gesuchte sich versteckt hielt, lehnte der frühere General demnach an der Wand eines Raums, in dem normalerweise landwirtschaftliche Geräte aufbewahrt würden, berichtete CNN unter Berufung auf Minister Rasim Ljajic. Obwohl Mladic zwei Pistolen gehabt habe, habe er sich kampflos ergeben.

Mladic ruft Anhänger zur Ruhe auf

Bei der Festnahme sei Mladic höflich gewesen und habe sogar von selbst seinen abgelaufenen Ausweis herausgegeben, im Unterschied zu den gefälschten Dokumenten, die oft von anderen mutmaßlichen Kriegsverbrechern vorgezeigt würden.

Scheinbar kooperativ zeigte sich der verhaftete Mladic auch nach außen hin: Nach Angaben seines Anwalts rief er seine Anhänger zur Ruhe auf. Mladic wolle weder ein "Blutbad" noch "Unruhen", sagte Milos Saljic am Samstag vor dem serbischen Kriegsverbrechertribunal in Belgrad, wo der Ex-General in Haft sitzt.

Seine Auslieferung an das UN-Tribunal scheint Mladic jedoch verhindern zu wollen. Während Saljic noch am Samstag sagte, es stehe noch nicht fest, wann der Serbe nach Den Haag überstellt werde, teilte er an diesem Sonntag mit, Mladic sei psychisch krank und sollte nicht an das Tribunal in Den Haag ausgeliefert werden. Der Gesundheitszustand seines Mandanten habe sich über Nacht verschlechtert.

Der frühere Kommandeur der bosnischen Serben ist vor dem UN-Tribunal wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des bosnischen Bürgerkriegs der Jahre 1992 bis 1995 angeklagt. Er wird insbesondere für das Massaker an Tausenden muslimischen Männern und Jungen in der Enklave von Srebrenica verantwortlich gemacht.

Die serbische Justiz genehmigte am Freitag Mladics Überstellung nach Den Haag. Saljic sagte, sein Mandant solle nun "von Ärzten untersucht werden, die in keiner Verbindung mit dem Tribunal stehen, unter anderem von Parlamentspräsidentin Slavica Djukic-Dejanovic". Mladic leide zwar unter Stimmungsschwankungen, sei aber "mit den Haftbedingungen zufrieden".

Mladics Sohn Darko sagte, sein Vater sehe "ein wenig besser" aus. Zusammen mit seiner Mutter sei er aber überzeugt, dass sein Vater die Situation nicht überblicken könne und auch nicht prozessfähig sei.

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