Am Donnerstagmorgen, die Sonne ist längst aufgegangen, sind auf dem Livestream der „Global Sumud Flotilla“ noch immer Schiffe zu sehen. Die rund 500 Aktivisten, Parlamentarier und Anwälte, die in den vergangenen Tagen mit Hilfsgütern auf dem Weg nach Gaza waren, hatten an ihren mehr als 40 Segel- und Motorbooten Bordkameras installiert und ihre Überfahrt ins Internet übertragen. Um 9.17 Uhr sendete die Fair Lady Bilder der Crew in orangefarbenen Rettungswesten – im Hintergrund war ein Marineschiff zu sehen. Kurz darauf endete der Stream.

Schon am Vorabend, als sich die Flottille etwa 70 Seemeilen vor der Küste Gazas befand, war sie dort auf Schiffe der israelischen Marine gestoßen. Die Soldatinnen und Soldaten hatten zunächst das Boot von Greta Thunberg festgesetzt, der prominentesten Aktivistin der Gruppe. Das israelische Außenministerium veröffentlichte Bilder von Thunbergs Festnahme und erklärte, „Greta und ihre Freunde“ seien „sicher und gesund“. Die Passagiere würden nun zu einem israelischen Hafen gebracht, hieß es.
Bewaffnete und maskierte Soldaten enterten Boote und forderten die Besatzungen auf, die Hände hochzunehmen
Der palästinensische Gazastreifen ist von Israel abgeriegelt, auch der Seeweg ist seit 2007 gesperrt. In der Vergangenheit hatte es schon mehrfach Versuche von Aktivisten gegeben, das heutige Kriegsgebiet vom Wasser aus zu erreichen, auch die frühere Klimaaktivistin Thunberg war bereits Teil davon. Erst im Juni war sie ebenfalls aufgegriffen und von Israel abgeschoben worden.
Nach Angaben der Organisatoren habe die Marine am Donnerstagmorgen 21 Boote abgefangen. Bei weiteren zehn sei dies anzunehmen, da der Kontakt zu ihnen abgebrochen sei. Bilder der Bordkameras zeigten Festnahmen bis nach Sonnenaufgang. Bewaffnete und maskierte Soldaten enterten darauf die Boote und forderten die Besatzungen auf, die Hände hochzunehmen.
Am Freitagmorgen stoppte das israelischen Militär das letzte verbleibende Boot der Flottille. Israelische Vertreter sagten, dass an Bord der Boote keine Hilfsgüter gewesen seien. Den Aktivisten sei es nie um Hilfe gegangen, sondern immer nur um Provokation.

Das Vorgehen Israels löste scharfe internationale Reaktionen aus. Die türkische Regierung bezeichnete den Einsatz als „Terrorakt“, der das Leben unschuldiger Zivilisten gefährde. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul leitete Ermittlungen wegen der Festnahme von 24 türkischen Staatsbürgern ein. Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro wies nach der Festnahme von zwei Kolumbianern die gesamte diplomatische Vertretung Israels aus. Zudem kündigte er das Freihandelsabkommen mit Israel auf. Auch der malaysische Ministerpräsident Anwar Ibrahim verurteilte die Aktion. In Italien riefen Gewerkschaften für Freitag zu einem Generalstreik auf. Die Organisatoren der Flotte betonten, ihre Schiffe seien illegal in internationalen Gewässern abgefangen und geentert worden.
Israel wirft den Aktivisten vor, das Ziel ihrer Mission sei „nicht humanitär, sondern provokativ“
Die israelische Regierung hatte die Mission dagegen wiederholt als Provokation bezeichnet. Die Marine habe die Flotte gewarnt, dass sie sich einer aktiven Kampfzone nähere. Aufforderungen, die Hilfsgüter auf See zu übergeben, seien die Aktivisten wiederholt nicht nachgekommen. „Diese systematische Weigerung zeigt, dass das Ziel nicht humanitär, sondern provokativ ist“, schrieb der israelische Botschafter in Italien, Jonathan Peled, auf der Plattform X. Zudem hatte das israelische Außenministerium in einer Erklärung nahegelegt, dass die Aktivisten finanzielle Verbindungen zur islamistischen Palästinenser-Organisation Hamas hätten.
Bereits in den vergangenen Tagen hatten die Besatzungen der Boote von Drohnenangriffen und Explosionen im Umfeld berichtet, auch Funkverbindungen seien gestört worden. Sowohl Italien als auch Spanien hatten Marineschiffe zum Schutz der Flottille entsandt. Zugleich hatte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die Aktion „unnötig, gefährlich und unverantwortlich“ genannt. Die Hilfsgüter hätten die italienische Regierung und die zuständigen Behörden innerhalb weniger Stunden auf dem Landweg liefern können.
Für die Organisatoren geht es aber um mehr. Am Mittwochabend vor ihrer Festnahme veröffentlichte Greta Thunberg noch ein Video auf Instagram, in dem sie sagte, Ziel sei es, Israels „illegale, inhumane Besatzung zu durchbrechen“. Israel müsse für „seine Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden“, erklärte sie. Der „Genozid“ müsse beendet werden.

Nach ihrer Festnahme verbreitete das israelische Außenministerium ein weiteres Bild von Thunberg. Darauf sitzt sie auf dem Boden, den Kopf an einen Haufen Rettungswesten gelehnt. Die Passagiere der „Hamas-Sumud“, schreibt das Ministerium, seien nun friedlich auf dem Weg nach Israel. Dort würden „ihre Abschiebeverfahren nach Europa“ beginnen.
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