FleischskandalGeschäfte, die zum Himmel stinken

Lesezeit: 3 Min.

Vier große Skandale haben die Fleischwirtschaft dieses Jahr schon erschüttert. Die ständig neuen Enthüllungen über Ekel- und Gammelfleisch schlagen immer mehr Verbrauchern auf den Magen.

Hans-Jörg Heims

Es war eine Routinekontrolle, zu der am 27. Oktober ein Lebensmittelprüfer der Stadt Gelsenkirchen bei der Firma Frigoropa unangemeldet erschien. Im Kühlhaus fand der erfahrene Kontrolleur tiefgefrorenes Roastbeef, das umverpackt werden sollte. Ein Zeichen für die Prüfer, dass mit der Ware etwas nicht stimmt.

Fleisch abgelaufen? Macht nichts! Einfach ein neues Eticket drauf.
Fleisch abgelaufen? Macht nichts! Einfach ein neues Eticket drauf. (Foto: Foto: ddp)

Drei Tonnen des betroffenen Fleisches wurden sicher gestellt und ein paar Tage später drei Proben zur Untersuchung an ein Labor in Münster geschickt. Zwei Wochen vergingen, ehe feststand, dass sich das Roastbeef nicht mehr für den Verzehr eignete. Und noch einmal dauerte es knapp eine Woche, bis das Veterinäramt der Stadt Gelsenkirchen abermals das Tiefkühlhaus von Frigoropa sowie Räume bei der Firma Domenz untersuchte, die das verdorbene Roastbeef eingelagert hatte.

Insgesamt 57 Tonnen Fleisch, das teilweise seit mehreren Jahren tiefgeforen eingelagert war, wurden sichergestellt. Gegen den 39 Jahre alten Fleischhändler Uwe Domenz leitete die Staatsanwaltschaft Essen ein Ermittlungsverfahren ein. Der Mann zeigte sich wenigstens kooperativ und nannte den Behörden die Orte, wohin das verdorbene Fleisch ausgeliefert worden war.

Schon der vierte Skandal in diesem Jahr

In einigen Fällen kamen die Fahnder zu spät. So hatte ein Metzger zehn Tonnen Fleisch erhalten und daraus unter anderem 28.000 Grillwürste hergestellt, die anschließend an Imbissbuden und Fleischereien verkauft worden waren. Lediglich 5600 der Würste konnten noch sichergestellt werden. Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen hätten keinerlei Hinweise auf eine Gesundheitsgefährdung ergeben, versuchte Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg (CDU) besorgte Verbraucher zu besänftigen.

Doch selbst Politikern schlagen die neuen Enthüllungen über Ekel- und Gammelfleisch auf den Magen. Bevor sich am Mittwoch der Landwirtschaftsausschuss des Düsseldorfer Landtags mit dem Fleischskandal beschäftigte, hatten sich einige Abgeordnete mit einem Augenzwinkern versichert, dass sie sich ja nur noch vegetarisch ernähren würden. Die Verbraucher freilich können über solche Späße nicht lachen. Täglich gehen bei den Verbraucherzentralen hunderte Anrufe von besorgten Menschen ein, die angesichts des mittlerweile schon vierten großen Skandals in diesem Jahr mit überlagertem und umetikettiertem Fleisch wissen wollen, wie man sich am besten schützen kann.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings nicht. In Deutschland werden jährlich in 1200 fleischverarbeitenden Betrieben und 200 Schlachthöfen mehr als sieben Millionen Tonnen Fleisch verarbeitet. Es ist ein arbeitsteiliger Kreislauf, in dem viele Unternehmer und Händler Geld verdienen wollen.

Eine Ärztin überprüft Geflügelfleisch aus einem verdächtigen Betrieb.
Eine Ärztin überprüft Geflügelfleisch aus einem verdächtigen Betrieb. (Foto: Foto: dpa)

"Nicht die großen Firmen sind das Problem, sondern die vielen kleinen", sagt Richard Bröcker, der sich beim Bauernverband mit Fragen der tierischen Erzeugung befasst. Kleinteiligkeit birgt die Gefahr der Unübersichtlichkeit. "Es kommt vor, dass eine Firma zwei Kühlhäuser bei den Behörden zur Kontrolle anmeldet. Aber irgendwo existiert noch ein drittes, wo manchmal über Jahre tiefgefrorenes Fleisch lagert, ohne dass dies staatlichen Stellen bekannt ist", sagt Bröcker.

Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Uhlenberg hat angekündigt, das Kontrollsystem zu straffen und zu beschleunigen. Späte Einsicht. Noch vor einem Jahr in der Opposition hatte sich der CDU-Politiker ziemlich gewunden, als die damalige Landesumweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) mit den Kreisen über die Zuständigkeit für die Lebensmittelkontrolle stritt. Vehement wehrte sich Uhlenberg gegen staatlichen Zentralismus.

Gefahr krimineller Machenschaften wächst

Nun ordnete der Agrarminister verstärkte Kontrollen in 40 großen Lagerhäusern mit Zulassung der Europäischen Union sowie in allen Kühlhäusern von Fleischereien und weiterverarbeitenden Betrieben an. Auch in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg wird seit dem Bekanntwerden des Skandals verstärkt kontrolliert; in den beiden letztgenannten Bundesländern wurde verdorbene Ware gefunden.

Landwirtschafts-Experte Bröcker bezweifelt, ob sich durch mehr Kontrollen unsaubere Geschäfte vermeiden lassen. "Autos werden ja auch trotz Wegfahrsperre gestohlen", sagt er. Seiner Ansicht nach sind es noch keine organisierten Banden mit mafiösen Strukturen, die mit verdorbenem Fleisch handeln. Noch nicht. Die Gefahr krimineller Machenschaften wächst, seit Anbieter aus Osteuropa mit Billigprodukten auf den Markt drängen und deutsche Qualitätsware keine Abnehmer mehr findet.

Um nicht auch noch für die Vernichtung des Fleisches bezahlen zu müssen, wird es auf der "Resterampe" oder dem "Drei-Tage-Markt", wie es in der Branche heißt, zum Sonderpreis verkauft. Die Käufer lagern die Ware tiefgefroren ein, um sie später umverpackt und umetikettiert mit einem Preisaufschlag auf den Markt zu bringen. Ein lohnendes Geschäft.

© SZ vom 24.11.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: