Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will die Legalisierung von Cannabis vorantreiben und sieht bei Landwirten in Deutschland großes Interesse. "Viele Bäuerinnen und Bauern stehen in den Startlöchern, um Hanf anzubauen", sagte der Grüne der Bild am Sonntag. Sobald der Bundestag das Gesetz des Gesundheitsministers verabschiedet habe, werde die Landwirtschaft auch diese Nutzpflanzen anbauen.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP plant eine "kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften". Dadurch würden "die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet", heißt es im Koalitionsvertrag. Der Anbau von Hanfpflanzen ist bislang für medizinische Zwecke erlaubt.
Kritik an den Legalisierungsplänen der bislang als illegale Droge eingestuften Substanz wies Özdemir zurück. "Niemand soll sich die Birne wegkiffen, aber ich freue mich, dass der Irrsinn des Cannabis-Verbots endlich endet", sagte er der Zeitung. Die Polizeigewerkschaften haben sich in der Vergangenheit skeptisch dazu geäußert. Auch die Unionsparteien sind strikt gegen Cannabis an der Ladentheke und verweisen auf Risiken.
"Lebensmittel genauso wertschätzten wie Autos"
Außerdem will Özdemir angemessene Preise für Lebensmittel und Agrarprodukte erreichen. "Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben, sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima", sagte Özdemir weiter. Er wolle, dass die Menschen in Deutschland ihre Lebensmittel genauso wertschätzten wie ihre Autos. "Manchmal habe ich das Gefühl, ein gutes Motoröl ist uns wichtiger als ein gutes Salatöl", kritisierte der Minister. Lebensmittel dürften jedoch kein Luxusgut werden. "Doch der Preis muss die ökologische Wahrheit stärker ausdrücken", so Özdemir.
Es gebe drei wichtige Ziele: ein sicheres und gutes Einkommen für die Bauern, gesundes Essen für alle sowie mehr Tierwohl, Klima- und Umweltschutz. Die Anzahl der Nutztiere in Deutschland müsse verringert werden: "Die Zahl der Tiere muss sich an der verfügbaren Fläche orientieren." Die Investitionsförderung werde er künftig auf gute Haltungsbedingungen in den Ställen ausrichten. Dies sei ein "Win-Win für Mensch und Tier".
Der Agrarminister strebt zudem eine Ausweitung der Fläche ökologisch bestellter Felder bis 2030 von derzeit knapp zehn auf 30 Prozent an und die "Nachfragemacht des Staates nutzen": Die Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen sollten auf mehr regionale und Bio-Produkte umgestellt werden. "Der Staat muss da Vorbild sein."
Lemke warnt davor, Klimaschutz über Artenschutz zu stellen
Özdemirs Kabinettskollegin, Bundesumweltministerin Steffi Lemke, fordert eine starke Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft. "Ich gehe nicht davon aus, dass wir innerhalb von vier Jahren komplett auf Pestizide verzichten können. Aber wir brauchen eine deutliche Verringerung, wenn wir das Insektensterben aufhalten wollen", sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir können den Pestizideinsatz durch finanzielle Anreize, aber auch durch Ordnungsrecht verringern", fügte sie hinzu.
Sie sei davon überzeugt, dass die meisten Landwirte weniger Pestizide verwenden wollten. Sie seien aber durch die europäische Agrarpolitik über Jahrzehnte in eine Zwangslage getrieben worden, dass Betriebe wachsen und mehr Ertrag abwerfen müssten oder aufgekauft würden. Lemke kritisierte, dass unter Beteiligung der Vorgängerregierung eine Fortführung der europäischen Agrarpolitik für die nächsten sieben Jahre beschlossen worden sei. "Wir müssen dringend aussteigen aus diesem System der einfachen Flächenprämie, die ohne ökologische Gegenleistung gezahlt wird. Das muss die Ampelregierung in den nächsten vier Jahren vorbereiten. Nur so werden wir ausreichend gesunde und vielfältige Nahrungsmittel haben", forderte die Umweltministerin.
Lemke warnte ferner in der Debatte über den Ausbau von erneuerbaren Energien davor, den Klimaschutz über den Artenschutz zu stellen. Es gebe zwei große ökologische Krisen auf dem Planeten, die "gemeinsam gelöst werden müssen: die Klimakrise und die Krise des Artenaussterbens", sagte die Ministerin. "Das eine ist genauso wichtig wie das andere." Beide Krisen bedrohten die natürlichen Lebensgrundlagen in eklatantem Ausmaß.