Fleischkonsum:Ein Akt der Verzweiflung

Die Forderung nach einer höheren Mehrwertsteuer auf Fleisch wird wenig bewegen. Nötig sind gesetzliche Vorschriften - doch dafür fehlt der politische Wille.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Endlich passiert etwas in Sachen Tierwohl. Nicht nur Grüne und Sozialdemokraten sprechen sich für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent für Fleisch aus, auch Vertreter der Union finden die Maßnahme sinnvoll. Die zusätzlichen Einnahmen sollen in schönere Ställe für glücklichere Tiere fließen. Und womöglich, so hofft man, könnte die Steuer erreichen, was sich nicht nur Klimaschützer wünschen: dass nämlich grundsätzlich weniger Fleisch gegessen wird. Alles gut also?

Gar nichts ist gut. Die Forderung nach einer höheren Mehrwertsteuer auf Fleisch ist vielmehr ein Akt der Verzweiflung, der wenig bewegen wird. Tiere sind schließlich kein Mineralöl und auch kein Limonadenzucker, die mit Steuern aus dem Konsum gedrängt werden können. Sie sind Lebewesen, deren Existenzbedingungen hier auf dem Spiel stehen. Lebewesen, die nicht nur einfach mehr Platz brauchen, sondern ethisch fundierte Vorschriften zu ihrem Schutz. Für Rinder, Schweine und Hühner etwas zum Besseren zu wenden - das geht deshalb nicht mit Geld allein, erst recht nicht mit einer Steuer.

Gerade beim fragwürdigen Billigfleisch wird die erhöhte Mehrwertsteuer für Konsumenten weniger stark spürbar sein als bei Fleisch, das schon jetzt aus einer verantwortungsvollen Tierhaltung stammt. Und wie die Konsumenten letztlich mit den Preiserhöhungen umgehen werden, bleibt ja Spekulation. Möglicherweise greift mancher Fleischfreund dann doch eher wieder zur Massenware, weil der Aufschlag beim nachhaltig und tiergerecht erzeugten Braten zu sehr schmerzt. Zweifelhaft ist auch, ob am anderen Ende der Preisspanne wirklich weniger Fleisch gegessen würde, weil das Kilo Schweinenacken beim Discounter statt fünf Euro plötzlich fünf Euro fünfzig kostet.

Für das Tierwohl braucht es deutlich strengere Gesetze

Die entscheidende Frage bleibt ohnehin, was eine höhere Mehrwertsteuer Konkretes für die Tiere ändert. In Ställe soll investiert werden, heißt es, fürs Tierwohl soll das zusätzlich erhobene Geld ausgegeben werden. Doch wer bekommt das Geld und wofür genau? Wie sähe so eine Tierwohlsubvention zum Beispiel in einer niedersächsischen Schweinemast aus? Wer kontrolliert, ob das Geld in die richtigen Maßnahmen fließt? Reichen die zusätzlichen Einnahmen überhaupt aus, um ohne gesetzliche Vorschriften neue Standards für die Fleischerzeugung zu setzen, und zwar in voller Breite?

Das Einzige, was gegen ausgemergelte, wunde Legehennen, im Dunkeln gehaltene Schweine mit zerbissenen Ohren, gedrängtes, mit Antibiotika vollgepumptes Vieh und viele andere tierische Missstände hilft, sind Gesetze. Neue, deutlich strengere und vor allem verbindliche Vorgaben darüber, was man einem Tier zumuten darf und was nicht. Solche Gesetze könnte es längst geben. Doch politisch müssten sie vom zuständigen Ministerium eben auch gewollt sein. Dass dem nicht so ist, haben Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und einige ihrer Vorgänger schon zu oft bewiesen.

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Fleisch wird derzeit mit einer Mehrwertsteuer von sieben Prozent belegt. Politiker von CDU, Grünen und SPD zeigen sich offen für eine Erhöhung auf 19 Prozent. Die zusätzlichen Einnahmen sollen zweckgebunden dem Tierwohl zugutekommen.

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