Donald Trump ist vermutlich nicht der erste amerikanische Präsident, der besser nicht Präsident geworden wäre. Allerdings dürfte Donald Trump der erste amerikanische Präsident sein, der eigentlich gar nicht Präsident werden wollte.
Es ist ja auch ein anstrengender Job, dieses Regieren, voller Mühe und ohne Dank, nicht so lukrativ, wie Golfplätze und Hotels zu bauen oder im Fernsehen herumzudaddeln. Deswegen wollte Trump die Präsidentenwahl 2016 eigentlich verlieren. Genauer: Er wollte nur fast gewinnen, um danach als berühmtester Mensch der Welt herumzulaufen und noch mehr Geld mit Golfplätzen, Hotels und Fernsehdaddelei zu verdienen. Starker Plan.
Der aber nicht geklappt hat. Irgendwas ging grässlich schief. Trump wurde der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Und das Elend begann. Das ist in etwa der Kern des Buches, das der Journalist Michael Wolff über Trump geschrieben hat und das nun diesen Freitag erscheinen soll - so Trump es nicht noch verhindert.
Trump als Präsident, der nichts weiß und nichts wissen will
"Fire and Fury" heißt es, und die ersten Auszüge haben in Washington eingeschlagen wie eine Salve Granaten. Gut 320 Seiten Häme, Spott und Geläster über den dummen, faulen Donald, der nur durch Zufall und Glück - oder Pech, wie man's sieht - Präsident geworden ist; über Trump, der nichts weiß und nichts wissen will, weil er nichts liest, nicht zuhört und sich für nichts interessiert; über den mächtigsten Mann der Welt, der abends mit einem Cheeseburger im Bett liegt - pikantes Detail: nicht im gleichen Schlafzimmer wie seine Frau Melania, die das Leben als First Lady hasst - und Hinz und Kunz mit Anrufen traktiert, in denen er sich lobt und jammert, wie gemein alle sind.
Auch Trumps Familie kommt nicht gut weg. Tochter und Kronprinzessin Ivanka? "Dumm wie ein Ziegelstein" und angeblich vom Wunsch getrieben, Papa einmal zu beerben und Amerikas erste Präsidentin zu werden. Schwiegersohn Jared Kushner? Ein arrogantes, ahnungsloses Milchgesicht, vermutlich in Geldwäsche verwickelt. Sohn Donald Jr.? Ebenfalls ein Geldwäscher und dazu so unfähig, dass er ein "verräterisches" Treffen mit einer russischen Anwältin, die belastendes Material über Trumps Wahlkampfgegnerin Hillary Clinton versprochen hatte, im 25. Stock des Trump Tower organisierte, anstatt sofort das FBI anzurufen.
Man muss sich also nicht wundern, dass Trump den Buchtitel wörtlich nimmt, Feuer und Zorn auf den Autor regnen lässt. Wolff hat zwar nur aufgeschrieben, was jeder in Washington ahnte. Aber er hat es eben aufgeschrieben. Er hat mit vielen Leuten geredet, die Trump kennen und erzählt haben, wie es zugeht im Weißen Haus. Zwar ist Wolff kein unumstrittener Autor, er wurde früher immer mal wieder beschuldigt, zu übertreiben. Aber im Großen und Ganzen liest sich seine Schilderung der Zustände recht plausibel. Allerdings - wer Washington kennt, weiß, dass solche Bücher, in denen Journalisten aus dem innersten Machtkreis heraus die "wahre" Geschichte über dies oder jenes erzählen, als seien sie dabei gewesen, immer auch politische Vehikel sind. Die Leute, die tatsächlich dabei waren und mit dem Autor reden, verfolgen oft eigene Ziele. Manche wollen sich wichtiger machen, als sie sind; manche wollen Schuld abwälzen; andere sich rächen.
Mit der Wahrheit ist das dann so eine Sache. So ist es wohl auch bei Wolffs Buch. Seine Hauptquelle ist allem Anschein nach Stephen Bannon, der wütende, rechtspopulistische Publizist, Leiter der krawalligen Internetseite Breitbart , der Trump von August 2016 bis August 2017 als Wahlkampfmanager und Chefstratege im Weißen Haus diente. Bannon ist sicher nicht die schlechteste Quelle, die man für so ein Buch haben kann. Er weiß viel. Aber er hat eben auch viele offene Rechnungen mit Trump und dessen Familie. Größenwahn, Schuld zuschieben, Rache - das sind Motive, die wohl auch Bannon bei seinen Gesprächen mit Wolff angetrieben haben.
Bannon und Trump haben ein kompliziertes Verhältnis. Beide sind der Ansicht, dass sie für den politischen Aufstieg des jeweils anderen verantwortlich sind. Trump glaubt: Ohne ihn wäre Bannon immer noch ein unbekannter Laberkopf, der in den düstersten, rechtesten Ecken des Internets herumgeistert. Bannon glaubt: Ohne ihn wäre Trump immer noch ein neureicher Fernsehheini, der ab und an wie ein Hofnarr auftreten darf, den aber niemand ernst nimmt. Der Streit zwischen Trump und Bannon, der jetzt über Wolffs Buch ausgebrochen ist, ist daher auch ein Kampf darum, wessen Interpretation der Beziehung die richtige ist: Wer hängt von wem ab? Wer hat wen erschaffen?
Trumps Ego duldet niemanden neben ihm
Es ist kein Zufall, dass Bannons Zitate vor Verachtung für Trump nur so triefen. Bannon ist ein Ideologe, ein sozialnationalistischer Revolutionär. Er sieht zwar oft etwas derangiert aus, unrasiert und ungekämmt, aber er ist so etwas wie ein Intellektueller. Er liest viel, er weiß viel über Geschichte, auch wenn er zuweilen die falschen Schlüsse daraus zieht. Wenn Bannon Reden hält, zitiert er Plutarch. Von Trump ist in Wolffs Buch hingegen überliefert, dass ihm ein Mitarbeiter einmal die amerikanische Verfassung erklären musste. Nach dem vierten von 27 Zusatzartikeln sei dem Präsidenten zu langweilig geworden, um weiterzumachen.
Ebenso wenig ist es freilich Zufall, dass Trump über Bannons abfällige Äußerungen derart in Rage geraten ist. Trumps Ego duldet niemanden neben ihm, deswegen betonte er in einer Erklärung am Mittwoch gleich mehrmals, dass sein glorreicher Wahlsieg - an den er natürlich immer fest geglaubt hat - und seine überaus erfolgreiche Präsidentschaft allein sein Werk seien. Der Stallknecht Bannon habe dazu nichts beigetragen. Wer anderes behaupte, sei schlicht verrückt. "Als Bannon gefeuert wurde, hat er nicht nur seinen Job verloren, sondern auch seinen Verstand", stellte Trump in seiner Erklärung fest.
Das klang ein wenig wie die Diagnose eines jener sowjetischen Psychiater, die Dissidenten früher für geisteskrank erklärten. Oder, wie ein republikanischer Parteistratege sagte: "Bannon wurde auf dem Rasen des Weißen Hauses hingerichtet."
Der Ideologe hatte einen praktisch unverwundbaren Kandidaten
Nüchtern betrachtet haben wohl beide recht. Bannons Breitbart war 2016 eine Art Sturmgeschütz, das Trump den Weg zur Kandidatur der Republikaner freischoss und dessen Trommelfeuer gegen die Demokratin Clinton bestimmt etliche Wähler beeinflusst hat. Stephen Bannon hat zu Trumps Sieg also sicher beigetragen. Zugleich war Trump ein einzigartiger, praktisch unverwundbarer Kandidat, der genau die Wähler ansprach, auf die es ankam. Der Sieg wäre ohne Trump unmöglich gewesen. Deswegen sind auch alle Fantasien, Bannon, könnte nun selbst in die Politik gehen, nur das - Fantasien.
Als nach dem gemeinsamen Wahlsieg im Januar 2017 das Regieren begann, zerbrach das Bündnis der beiden Egomanen. Bannon, der selbsterklärte Leninist, wollte Revolution machen und Amerikas politische Ordnung umgraben. Am liebsten hätte er das ganze republikanische Parteiestablishment, für ihn Volksverräter und Weicheier allesamt, aufs Schafott geschickt.
Trump dagegen wollte - ja, was eigentlich? Jedenfalls nicht ernsthaft regieren. Er hatte ja angeblich nicht mit dem Sieg gerechnet, er interessierte sich nicht besonders für Politik, er hatte weder ein Programm noch kompetentes Personal.
Trump heuerte Ivanka und Kushner als Berater an, zwei unerfahrene New Yorker Liberale, die im Herzen Demokraten sind und vor allem die Marke Trump schützen wollten, von der sie leben. Mit Bannons jakobinischem Revoluzzertum konnten sie nichts anfangen, und das ließen sie ihn merken. Immer wenn etwas schiefging, rannte Jared zum Schwiegerpapa ins Oval Office und petzte, dass es Bannons Idee und Schuld gewesen sei.
Und weil der Naivling Donald Jr. einst die dubiose Russin getroffen hatte, schnüffelt zu allem Überfluss auch noch ein Sonderermittler hinter Trump her. So, wie Bannon es sah, haben ihm die verwöhnten Trump-Gören den hart erarbeiteten Sieg verdorben. Und dafür hat sich Bannon gerächt, auf Washingtoner Art: Erst erzählte er einem Journalisten allerlei saftige, schädliche Anekdoten. Dann bekundete er seine Loyalität zu Trump.
Der sei ein "großer Mann".