Süddeutsche Zeitung

Finnland vor der Wahl:Gefahr von rechts

  • Am Sonntag wählt Finnland ein neues Parlament. Die rechtspopulistischen Basisfinnen könnten wieder ein zweistelliges Ergebnis einfahren.
  • Sie setzen auf vorhandene Ressentiments und Ängste, die seit den Anschlägen von Kopenhagen auch die Stimmung in Finnland beeinflussen.
  • Im Wahlkampf haben die Basisfinnen eine Diskussion über die Abschaffung des noch obligatorischen Schwedischunterrichts an Schulen angezettelt.
  • Unsere Autorin ist zweisprachig und hat schon früh gelernt, ihre zweite Identität zu verstecken.

Von Noora Löfström

Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Kooperation "Mein Europa" von Süddeutsche.de mit dem Projekt FutureLab Europe der Körber-Stiftung.

Man könnte meinen, den Jackpot gewonnen zu haben, wenn man in Nordeuropa geboren wurde: Wohlfahrtsstaat, fast völlige Gleichberechtigung der Geschlechter, keine Korruption, gutes Schulsystem sowie sichere Nachbarschaften. Skandinavien gilt weltweit als Vorbild. Die nordischen Gesellschaften sind geprägt von Offenheit und Transparenz.

Autoreninfo

Noora Löfström, 27, ist Direktorin des Erasmus-Studentennetzwerks. Sie hat Politikwissenschaften in Brüssel und Helsinki studiert.

In meiner Welt erschütterten mehrere Ereignisse dieses Idealbild:

Verantwortlich für die Anschläge in Dänemark war ein junger Muslim, der als Kind jordanisch-palästinensischer Eltern in Dänemark geboren worden war. Der Attentäter war 22 Jahre alt. Er war extrem religiös und radikal geworden, und er war im gleichen Alter wie Anders Breivik, als dieser mit den Planungen seiner Terroranschläge in Oslo und Utøya begonnen hatte.

Wäre Breivik Muslim gewesen oder hätte er ausländische Wurzeln gehabt, wäre der öffentliche Diskurs vermutlich anders verlaufen. Da er Norweger war, konnte weder einer anderen Religion, noch der Zuwanderung oder den geduldeten Flüchtlingen die Schuld gegeben werden. Doch beide Ereignisse stellen unsere offene Gesellschaft vor eine Bewährungsprobe. Nach dem Anschlag in Utøya wurden die Norweger gelobt, weil sie ihre Werte verteidigten und auf die brutalen Terroranschläge mit einer noch stärkeren Betonung von Freiheit und Demokratie reagierten.

Europa diskutiert über die Grenzen der Freiheit

Ganz anders verhält es sich nach den Anschlägen in Dänemark: Nun diskutiert Europa die Frage, ob man Terrorverdächtigen Pass und Nationalität entziehen darf. Auch wenn die Lage in Finnland nicht ganz so kritisch ist wie in den Nachbarländern, könnte sich die düstere Stimmung übertragen. Am 19. April finden in Finnland Parlamentswahlen statt. Die Ereignisse in Kopenhagen haben sich in den Wahlkampf-Parolen der Partei "Basisfinnen" niedergeschlagen und geben der rassistischer Argumentation neue Nahrung.

Ihren ersten Erfolg konnten die Basisfinnen bei den vergangenen Parlamentswahlen im Jahr 2011 verbuchen: Unter der Führung von Timo Soini (hier ein Porträt) erzielte die Partei 19 Prozent der Stimmen - und wurde damit zur stärksten Oppositionspartei. Der rechtsgerichtete Populist Soini setzt auf das Standardpaket an ausländerfeindlichen, nationalistischen und anti-islamischen Positionen. Doch sein Erfolg beruhte vor allem auf seinem euroskeptischen Kurs, wie er auch in anderen nordischen Staaten populär war. In der Folgezeit sorgte Soini mit seiner Forderung für Schlagzeilen, den verpflichtenden Schwedisch-Unterricht an öffentlichen Schulen abzuschaffen. Die politischen Forderungen seiner Partei in den Bereichen Minderheiten- und Einwanderungspolitik werden als verfassungsfeindlich kritisiert. Soini verteidigt seine Ideen und argumentiert, dass diese im nationalen Interesse seien und - interessanterweise - das Recht auf Selbstbestimmung verteidigten.

Situation der schwedischen Minderheit in Finnland

Ich bin eine bilinguale Finnin und für mich sind Schwedisch und Finnisch Muttersprachen. In Finnland sprechen etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung schwedisch. Der schwedischen Minderheit wird in der Verfassung das Recht auf Erhalt staatlicher Dienstleistungen in ihrer Muttersprache garantiert, da in Finnland offiziell Zweisprachigkeit herrscht. Die Diskussion, die die Basisfinnen über die Abschaffung des obligatorischen Schwedisch-Unterrichts angezettelt haben, gefährdet das Recht auf Selbstbestimmung der schwedischen Minderheit und ist gegen ihre Kernidentität gerichtet.

Finnlandschweden

Die Schwedische Minderheit ist fester Bestandteil der finnischen Gesellschaft. Die Sprache ist gemäß der Verfassung von 1919 dem Finnischen gleichgestellt. Jeder Bürger hat das Recht, sich mit den Staatsbehörden in seiner Muttersprache auszutauschen. Die Finnlandschweden stellen momentan gut fünf Prozent der Bevölkerung, auch der finnische Premier Alexander Stubb gehört ihr an. Bis 1809 war Finnland Teil des schwedischen Königreichs. Zwar lebten die beiden Völker immer freundlich nebeneinander. Doch gibt es tief sitzende Ressentiments. Schwedisch wird in Finnland als Sprache der Oberschicht angesehen.

Schnell zeigte die Kampagne der Basisfinnen erste Erfolge: Eine Bürgerinitiative forderte die Abschaffung des verpflichtenden Schwedisch-Unterrichts in finnischen Schulen. Statt Schwedisch solle in den östlichen Teilen Finnlands verpflichtend Russisch gelernt werden. Dies hätte die Situation und die Rechte der schwedischsprachigen Bevölkerungsgruppe gefährdet. Der Antrag wurde jedoch am 6. März im Parlament mit 134 zu 48 Stimmen abgelehnt.

Allerdings wirkte sich die feindliche Einstellung der Basisfinnen gegenüber Minderheiten auf die parlamentarische Debatte aus. Die Regierungsparteien verfolgen eine behutsamere Vorgehensweise gegenüber der schwedischen Sprache. Eine Mehrheit von 93 zu 89 Abgeordneten sprach sich dafür aus, eine offizielle Untersuchung über regionale Alternativen zum Schwedisch-Unterricht in Schulen in Auftrag zu geben.

Wer schwedisch spricht, erntet seltsame Blicke

Ich bin in Stockholm geboren, aber in Tampere aufgewachsen, einer einsprachigen finnischen Stadt, in der ich die einzige schwedischsprachige Schule besuchte. Bereits als Kind habe ich gelernt, mit meiner zweiten Sprache vorsichtig umzugehen: Als Teenager hörten wir auf, uns in der Innenstadt auf Schwedisch zu unterhalten, wenn wir seltsame Blicke, Kommentare oder Bemerkungen von Fremden bekamen. Auch wenn in Finnland offiziell Zweisprachigkeit herrscht, bemühe ich mich, in Cafés oder Restaurants kein Schwedisch zu sprechen, weil das leichter ist. Zwar habe ich bislang keine Feindseligkeiten erlebt, aber schon oft gehört, dass Menschen nicht mehr bedient oder sogar angegriffen werden, weil sie Schwedisch sprechen.

Wegen dieser Geschichten und der jüngsten Erfolge der Basisfinnen bin ich enttäuscht über die negativen Äußerungen in meinem Heimatland hinsichtlich der Schwedisch sprechenden Minderheit. Es wäre schön, wenn ich mich im Alltag nicht immer zusammenreißen müsste, Finnisch zu sprechen, oder wenn ich mir sicher sein könnte, dass der Status der Sprache nicht geschwächt wird. Gut, dass es auch viele gibt, die erkennen, wie wichtig eine bilinguale Gesellschaft ist und dass jede Sprache einen Mehrwert darstellt. Im Parlament würde die Schwedische Volkspartei, die seit 1975 an der Regierung beteiligt ist, eine Schwächung der schwedischen Sprache nicht zulassen.

Gleichwohl haben die Basisfinnen mit ihren lauten Parolen und ihrer Basiskampagne den Nerv der Nichtwähler bei den Wahlen 2011 getroffen. Meine Erfahrungen zeigen, dass die Basisfinnen die Ressentiments gegen die schwedische Minderheit nicht erfunden haben. Aber ihr aggressiver Diskurs ist an den Volksparteien nicht spurlos vorbeigegangen. Und es ist durchaus möglich, dass die Basisfinnen in der nächsten Regierung vertreten sein werden. In diesem Fall wäre vermutlich kein Platz mehr für die Schwedische Volkspartei, auch wenn Soini eine Koalition mit ihr nicht ausgeschlossen hat.

Vor den Wahlen verüben die Basisfinnen auch an anderen Fronten feindliche Angriffe: Sie fordern, die ohnehin schon niedrige Zahl an Flüchtlingen und Asylbewerbern weiter zu reduzieren. Sie argumentieren, dass wir nicht die Fehler unserer Nachbarn wiederholen sollten. Die Strategie von Soini ist klar: Er setzt auf die Ängste, die seit den Anschlägen von Kopenhagen vorherrschen. Norwegen, Schweden und Dänemark haben auf die Anschläge mit einer Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen reagiert.

Auch wenn in Meinungsumfragen die Werte für Soinis Partei geringer ausfallen als 2011, kann er sich bereits als Sieger fühlen: Er hat den Diskurs und die politischen Inhalte der anderen Parteien gegenüber Minderheiten sowie die öffentliche Debatte beeinflusst.

Hoffen auf die junge Generation

Doch ich setze meine Hoffnung in die jüngere Generation. Diese ist immer stärker vernetzt, immer internationaler und teils sogar global aufgestellt. Ich hoffe, dass sie versteht, dass die Lösung nicht darin liegt, sich abzuschotten und die Grenzen zu verriegeln, sondern darin, offen auf andere Kulturen zuzugehen. Wir müssen die Werte verteidigen, für die das nordische Modell auf der ganzen Welt bekannt ist: den Wohlfahrtsstaat und unsere offene Gesellschaft. Denn darauf gründet sich unsere Erfolgsgeschichte.

Übersetzung: Dorothea Jestädt

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