Metoo 2.0:Punk und Macho

Metoo 2.0: Hat sich öffentlich für sein Verhalten entschuldigt: Teemu Bergman. Frontmann der finnischen Punk-Band "Pää Kii".

Hat sich öffentlich für sein Verhalten entschuldigt: Teemu Bergman. Frontmann der finnischen Punk-Band "Pää Kii".

(Foto: Tuomas Vitikainen/Tuomas Vitikainen)

Verblüfft und schockiert debattiert Finnland Frauenfeindlichkeit und sexuellen Missbrauch in der Gegenkultur

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Im Ernst, @punkstoo? Das war die erste Reaktion vieler Menschen in Finnland auf den gleichnamigen Instagram-Kanal, als dieser im Juli die "Me Too"-Debatte in eine bis dahin unverdächtige soziale Gruppe trug. Frauenfeindlichkeit, sexuelle Belästigung bis hin zur Vergewaltigung ausgerechnet in der Punkszene, die es immer auch verstand, sich als Bewegung gegen soziale Missstände zu porträtieren? In der sich Bands oft für Gleichheit und Gemeinschaft, gegen Rassismus und Frauenhass positionieren? "Selbst in Utopia", schrieb die Zeitung Helsingin Sanomat, "gibt es immer welche, die ihre Macht missbrauchen".

"Die Punkszene ist nicht so sicher, wie Ihr denkt", war der Instagram-Kanal überschrieben, der vor vier Wochen mit Wucht hineinplatzte in die Musik-, Club- und Festivalszene des Landes und eine Debatte lostrat, die heute sogar das Kabinett beschäftigt. Der Kanal hatte zuletzt 27 000 Follower, die mit zunehmendem Entsetzen die - allesamt anonym geposteten - Geschichten von Belästigung und Missbrauch in der Szene lasen.

Auch manche Insider gaben sich schockiert angesichts des offensichtlichen Ausmaßes des Problems. Andere zeichneten die öffentliche Verblüffung als naiv und auch das Motto des @Punkstoo-Kanals - "Make punk safe again" - als irreführend: Punk, sagen sie, war in Wirklichkeit niemals sicher. Das alles sei "traurig, aber nicht überraschend", meinte etwa die Musikerin Satu Kuru, die seit zwei Jahrzehnten in diversen Punk- und Rockbands singt und spielt: "Wir warnen schon lange die Mädchen, die neu in die Szene kommen". Wie auch die Sängerin Anni Lötjönen bekannte auch Satu Kuru im öffentlich-rechtlichen Sender YLE, Belästigung und sexuelle Gewalt am eigenen Leibe erfahren zu haben. Beide beschrieben eine Machokultur unter Punks, in der Frauen oft herabgewürdigt werden.

In der Debatte gab es eine Fraktion, die die Anonymität der Postings beklagt. Der Frontmann der Band Pää Kii etwa, Teemu Bergman, entschuldigte sich zwar auf Facebook für Fehlverhalten, bestritt aber strafrechtlich relevante Vergehen und erstattet nun Anzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung. Die Auftritte seiner Band bleiben jedoch abgesagt. Der Bassist einer anderen Band wurde gefeuert, und die Radioshow New Music des Senders YleX pausiert nach Vorwürfen gegen die Macher. Clubbesitzer und Festivalmacher geloben derweil, Konzertbesuche für Frauen sicherer zu machen. "Wir müssen in den Spiegel schauen", sagte Mikko Koivuluoma, der Manager des Punkfestivals in Puntala - auch wenn es das Ende des Rufs des Festivals bedeute als Ort der zügellosen Freiheit. "Wir werden den Leuten, die sich schlecht benehmen, mehr auf die Finger schauen", sagte Koivuluoma YLE.

Finnlands Minister für Geschlechtergleichheit, Thomas Blomqvist, äußerte sich nun vorsichtig optimistisch: Jede neue Debatte treibe den Wandel voran. Schon gibt es Nachahmerkanäle in anderen Subkulturen: @metaltoo und @hippiestoo. Im Herbst will der Minister einen runden Tisch zum Thema sexuelle Belästigung einberufen. @punkstoo hat sich derweil verabschiedet, die Macherinnen schlossen letzte Woche das Instagramkonto und löschten die Beiträge: "Unser Ziel ist erreicht", schreiben sie in ihrer Abschiedsbotschaft: "Die Diskussionen haben begonnen."

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