Keine Drogen gefunden - so lautet die Zusammenfassung der nur vier Sätze langen Pressemitteilung, mit der die finnische Regierung am Montagnachmittag über eine medizinische Untersuchung ihrer Chefin informiert. Es ist das vorläufige, recht unspektakuläre Ende einer mittlerweile weit über die Grenzen Finnlands hinaus bekannten Partynacht, bei der Premierministerin Sanna Marin es ziemlich krachen ließ. Die Frage, die sich nun stellt: Ist es auch das Ende der politischen Debatte, die dem Fest folgte? Und: Hat die ganze Geschichte der Regierungschefin nun geschadet? Oder ist sie am Ende gar die Gewinnerin?
Ganz klar lässt sich das im Moment wohl noch nicht beantworten. Die Videos der Party zeigen - das hat Marin in den vergangenen Tagen selbst oft betont - jedenfalls nichts Illegales. Ob sie etwas Anstößiges zeigen, gar etwas, das dem Ansehen ihres Amtes schaden könnte, darüber gehen die Meinungen stark auseinander.
Zu sehen sind auf den Aufnahmen - es gibt eine ganze Reihe davon - neben der 36-jährigen Premierministerin einige ihrer Freunde und Freundinnen, die zu lauter Musik und Discobeleuchtung offenbar in einem Wohnzimmer und später in einem Nachtclub tanzen, singen und bunte Getränke zu sich nehmen.
Die Premierministerin ist in weißer Hose und schwarzem Top gekleidet, mal rutscht sie nach Art der Rockstars auf Knien über den Boden, mal fällt sie anderen Feiernden um den Hals oder flirtet mit der Handykamera. Später tauchte noch ein Video auf, in dem sie mit dem Sänger Olavi Uusivirta tanzt. Es wurde darüber spekuliert, ob darauf auch ein Kuss zu sehen ist, was Sänger und Regierungschefin jedoch bestritten.
Regierungschefin Marin wirkt auf den Videos jedenfalls sehr fröhlich und ausgelassen. Manche Kritiker mutmaßten: So fröhlich kann man nur sein, wenn man mit illegalen Substanzen nachhilft. Diesen Verdacht hat Marin nun mit dem freiwilligen Drogentest ausgeräumt, den sie übrigens selbst bezahlte, wie es in der knappen Pressemitteilung vom Montag heißt.
"Ein bisschen peinlich", sagt die Finanzministerin
Allerdings gab es neben solchen Verdächtigungen auch schwerer zu entkräftende Kritik. So musste Marin sich auf einer Pressekonferenz am Freitag zu der Partynacht fragen lassen, ob es nicht unverantwortlich sei, so ausgelassen zu feiern, schließlich könne sie ja in dringenden Amtsgeschäften gebraucht werden, die in Zeiten von Corona und Ukraine-Krieg ja immer wieder mal anfallen.
Urlaub hatte Marin an dem fraglichen Abend Anfang November nämlich nicht, aber dienstfrei. Anders als während eines Urlaubs ist in solchen Fällen jedoch keine Vertretung vorgesehen. Marin versicherte, sie sei immer erreichbar gewesen und überdies sei es Spitzenpolitikern ja wohl nicht verboten, in ihrer Freizeit Feste zu besuchen. "Ich hoffe, dass es im Jahr 2022 akzeptabel ist, dass auch Entscheidungsträger tanzen, singen und feiern."
Die Kritik an ihrer Freizeitgestaltung kam unterdessen nicht nur von politischen Gegnern, sondern auch von Verbündeten. So nannte die Finanzministerin Annika Saarikko die Videos schlicht "ein bisschen peinlich". Die Aufnahmen seien sicherlich nicht dafür bestimmt gewesen, von allen Finnen gesehen zu werden. Saarikko ist Chefin der Zentrumspartei, die mit Marins Sozialdemokraten in einer Koalition regiert. Marin selbst sagte, die Aufnahmen seien in der Tat nur für den "privaten Gebrauch" gedacht gewesen. "Ich habe mir nicht gewünscht, dass diese Bilder verbreitet werden. Aber es ist nun an den Wählern zu entscheiden, was man darüber denkt."
Die Entscheidung ist im Moment wohl offen. Denn neben teilweise recht moralisierender Kritik bekam Marin auch jede Menge Unterstützung. Unter dem Hashtag #solidaritywithsanna posteten Menschen auf der ganzen Welt eigene Partyvideos, um ihr Mitgefühl für die vom Shitstorm gebeutelte Spitzenpolitikerin auszudrücken. Wer die Debatte in den sozialen Medien verfolgte, gewann jedenfalls kein einheitliches Bild: Manche empfinden die Aufnahmen der feiernden Premierministerin als peinlich. Andere finden sie dagegen cool. Am Ende bleibt die Frage: Haben solche Meinungen irgendwelche Auswirkungen auf die Parlamentswahl, die in Finnland im kommenden April stattfindet?
Tatsache ist, dass die Sozialdemokraten bislang recht gut mit Marin als Premierministerin gefahren sind. Auch, weil sie es versteht, sich in sozialen Medien zu inszenieren. Aber natürlich vor allem, weil sie zum Beispiel mit dem bevorstehenden Beitritt des Landes zur Nato bemerkenswerte politische Erfolge vorweisen kann.
Tatsache ist aber auch, dass es nicht das erste Mal ist, dass Marin wegen Videos aus ihrer Freizeit in die Kritik gerät. Im Dezember erregten Aufnahmen eines Disco-Besuchs die Gemüter in Finnland - Marin hatte dort gefeiert, obwohl ihr Außenminister kurz zuvor positiv auf Corona getestet worden war. Marin, zu dem Zeitpunkt bereits zweimal geimpft, hatte damit zwar keine der in Finnland geltenden Corona-Regeln verletzt, räumte damals aber nach Tagen der Kritik ein, sie hätte wohl ein besseres Urteilsvermögen zeigen sollen.