Fingierte Hilfsaktion:"Danke, Manuela Schwesig"

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"Hochnotpeinlich" könnte für Familienministerin Manuela Schwesig eine Aktion werden, bei der sie als Wohltäterin für 55 000 syrische Kinder gezeigt wird - denn das Projekt gibt es offiziell gar nicht. Aktionskünstler vom "Zentrum für politische Schönheit" haben es sich ausgedacht.

Von Nadia Pantel

Große braune Augen, zerstrubbeltes Haar, strahlendes Kinderlachen und in der Hand ein Foto von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), so steht der Junge in seinem Klassenzimmer in Aleppo. Seine Freunde haben ein Plakat entrollt: "Danke, Manuela Schwesig." Denn die Ministerin hat die "Kindertransporthilfe des Bundes" bewilligt und wird 55 000 syrische Kinder in deutsche Pflegefamilien holen.

Wirklich? Nein. Das Logo des Bundesministeriums auf der Seite der "Kindertransporthilfe", Schwesigs Statement, dass die "Weltgemeinschaft mit allen verfügbaren Mitteln zu Hilfe" eile, und die Info-Hotline, bei der sich eine Sprecherin des Ministeriums meldet und über das Auswahlverfahren für Pflegefamilien informiert: Nichts davon ist echt. "Das BMFSFJ-Logo sowie Fotos und Unterschriften der Ministerin wurden ohne Wissen und ohne Genehmigung des Ministeriums genutzt", sagt eine Schwesig-Sprecherin.

Ausgedacht hat sich die "Kindertransporthilfe" das Zentrum für Politische Schönheit um den Künstler und Politologen Philipp Ruch. "Ich sehe mit Schrecken, wie die deutsche Gesellschaft und Politik die Katastrophe in Syrien verschläft", sagt Ruch. "Wir haben eine schlüsselfertige Aktion für Frau Schwesig vorbereitet, die übergeben wir ihr gerne."

Seit einem Tag ist die gefakte Ministeriumshomepage online, Plakate, Politikertreffen und Infostände sollen folgen. In zwei Wochen sollen tatsächlich 55 000 Familien zusammenkommen, die sich bereit erklären, syrische Kinder aufzunehmen. "Die ersten haben sich schon gemeldet. Denen müssen wir nun nur noch vermitteln, dass wir noch nicht das Go der Ministerin haben." Ruch sagt, er sei gespannt auf das Dementi Schwesigs, wenn sie erklären müsse, dass die Kinder nicht aufgenommen werden. "Das wird hochnotpeinlich."

Für die Aktion ist ein Künstler nach Syrien gefahren und hat syrische Kinder "für ein Theaterprojekt" mit Schwesig-Plakaten fotografiert. Ob das nicht zynisch sei? "Im Gegensatz zu deutschen Politikern waren wir immerhin da. Das wurde in Aleppo durchaus als Zeichen der Solidarität verstanden."

Auch wenn an der Kindertransporthilfe wenig echt ist, einige entscheidende Unterstützer sind es. Fünf deutsche Juden, die 1938 nach der Reichspogromnacht in einer Aktion spontaner Solidarität als Kinder nach England fliehen konnten und dort von Familien aufgenommen wurden, arbeiten mit dem Institut für Politische Schönheit zusammen. So der 87-jährige Kurt Gutmann, der eines der mehr als 10 000 Kinder war, die es im Rahmen der damaligen Kindertransporte ins Exil schafften. "55 000 syrische Kinder würden wir in Deutschland kaum merken", sagt Gutmann.

Laut Vereinten Nationen sind mehr als vier Millionen Syrer auf der Flucht. Das deutsche Innenministerium will 10 000 syrische Flüchtlinge ohne Asylverfahren aufnehmen.

© SZ vom 13.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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