Finanzskandal:Schwere Vorwürfe gegen Banken

Lesezeit: 2 min

Der Lobbyverband der privaten Institute soll Einfluss auf das Finanzministerium genommen haben. Ziel war es, den mutmaßlichen Steuerbetrug durch Cum-Ex-Geschäfte am Laufen zu halten.

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt und Jan Willmroth, Frankfurt

Im größten Steuerskandal der deutschen Geschichte rückt die private Bankenlobby in den Fokus der Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Köln geht dem Verdacht nach, Banken und deren Anwälte könnten über den Bundesverband deutscher Banken (BdB) sowie über Mittelsmänner jahrelang in politisch fragwürdiger Weise auf Gesetze und Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums Einfluss genommen haben. Damit sollten Schwächen im Steuerrecht bestehen bleiben. Anhaltspunkte dafür gab es schon länger, nun hat sich der Verdacht durch Aussagen von Beschuldigten und im Zuge des ersten Strafprozesses wegen Cum-Ex-Geschäften am Landgericht Bonn erhärtet.

Am Dienstag durchsuchten Staatsanwälte, Steuerfahnder und weitere Ermittler die Büros des BdB in Berlin und Frankfurt auf der Suche nach belastendem Material. Der BdB ist die Lobby der privaten Banken in Deutschland und zählt 180 Mitgliedsinstitute. Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigte Maßnahmen bei einem Verband, ohne Namen zu nennen. Es gehe darum, Beweismittel zu finden, "die für die Fortführung der Ermittlungen und die weitere Aufhellung des komplexen Sachverhalts von Bedeutung sein können."

Gegen Verantwortliche oder Mitarbeiter des BdB wird nicht ermittelt, es handelte sich um Durchsuchungen im Zeugenstatus. Der Verband gab an, "vollumfassend" mit den Behörden zu kooperieren.

Hintergrund der Razzien sind nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR eine Reihe fragwürdiger Vorgänge im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften und verwandter Modelle des Aktienhandels, die teils bis in jüngste Zeit weiter betrieben wurden. Ziel und einziger Zweck solcher Geschäfte ist es, sich auf mutmaßlich betrügerische Weise Steuern auf Kapitalerträge erstatten oder anrechnen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt inzwischen in annähernd 70 Verfahren gegen bald 900 Beschuldigte wegen Steuerhinterziehung.

Mit Blick auf den BdB vermuten die Fahnder aus NRW, dass Beschuldigte mehrerer Ermittlungsverfahren über den Bankenverband in ihrem Sinne auf Gesetze Einfluss genommen haben, wobei alle Beteiligten gewusst haben sollen, dass die Geschäfte möglicherweise strafbar waren. Sie sollen in Arbeitskreisen und im Austausch mit dem Bundesfinanzministerium darauf hingewirkt haben, Schlupflöcher für das lukrative Geschäft mit der Mehrfacherstattung von Steuern offenzuhalten. Mit dem Einfluss des Bankenverbandes auf die Gesetzgebung des Ministeriums hatte sich in den Jahren 2016 und 2017 bereits ein Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigt. Wichtige Details zur Rolle des BdB blieben dabei ungeklärt.

In einem ersten Strafurteil wurden zwei britische Investmentbanker im März am Landgericht Bonn wegen schwerer Steuerhinterziehung zu Haftstrafen verurteilt. Der Schuld- und Strafausspruch gegen den Hauptangeklagten ist nun rechtskräftig. Er erhielt eine Strafe von einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung. Über den Rest des Urteils entscheidet der BGH in Revision.

© SZ vom 05.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: