Finanzprobleme der Kommunen:Sehnsucht nach Asphalt

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Viele Gemeinden haben Probleme, das Geld für eine Reparatur von schweren Straßenschäden aufzubringen. Hilfe bekommen sie nicht - also stellen sie Schilder auf.

Michael Bauchmüller und Daniela Kuhr

Am Freitag ist in Niederzimmern Schlaglochfest. Die thüringische Gemeinde wird dann die letzten Schlaglöcher verfüllt haben, eine in der deutschen Geschichte einmalige Aktion ist beendet: der Verkauf von Schlaglöchern. 256 hat die Gemeinde per Internet veräußert, 256 Mal zahlten die neuen Besitzer 50 Euro für ein paar Eimer Asphalt und eine Plakette.

Den Kommunen fehlt das Geld, schadhafte Straßen in Stand zu setzen. (Foto: Foto: dpa)

Eine russische Nachrichtenagentur, das Sat-1-Frühstücksfernsehen, Bürger des ganzen Landes griffen zu; 30 Tonnen Asphalt spendete die Bauwirtschaft. Zumindest Niederzimmern wird so die Folgen dieses Winters los.

Schlaglochpiste

Dem Rest der Republik bleiben sie erhalten. Spuren gibt es überall. Zwischen Bremen und Hamburg wurde ein Teil der frisch gebauten Autobahn A 1 zur Schlaglochpiste. Bundesweit warnen Kommunen vor Straßenschäden und erlassen Tempolimits. In Berlin gilt auf einzelnen Straßen Tempo 10. Die Ursache ist überall ähnlich: In den Asphalt ist Tauwasser eingesickert, mit jedem Frost im harten Winter wuchs seine Sprengkraft.

Jetzt sitzen Bund, Länder und Kommunen auf Löchern, deren Reparaturkosten die Städte auf 3,5 Milliarden Euro schätzen, davon 2,3 Milliarden Euro allein für kommunale Straßen. "Und das, obwohl den Kommunen Ende dieses Jahres angesichts der desaströsen Finanzlage ohnehin schon zwölf Milliarden Euro fehlen werden", sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds.

Landsberg ist enttäuscht, dass die Verkehrsminister von Bund und Ländern bei ihrer Konferenz in der vergangenen Woche kein Hilfsprogramm zur Sanierung der Straßenschäden beschlossen haben. Alles, was Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) in Aussicht stellte, waren zusätzliche 100 Millionen Euro- aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings nur für die Ausbesserung von Bundesstraßen und Autobahnen.

Geteilte Verantwortung

"Das nützt den Kommunen leider gar nichts", sagt Landsberg. Zwar sei es richtig, dass der Bund den Städten und Gemeinden nicht direkt helfen dürfe, wenn es um Straßenschäden gehe. "Aber ich hatte gehofft, dass er uns gemeinsam mit den Ländern nach dem Modell eines Konjunkturpakets unterstützen würde."

Doch Ramsauer stellte klar: Alle müssten für ihre eigenen Straßen aufkommen. Zwar sei das Problem eine "Gemeinschaftsaufgabe" - aber eine mit geteilter Verantwortung. Die Kommunen haben bei weitem die größte Last zu tragen. Ihr Straßennetz umfasst 430.000 Kilometer, während Bundesstraßen und Autobahnen nur 16.000 Kilometer lang sind. Dabei reicht in vielen Gemeinden das Geld für die Instandhaltung schon unter normalen Bedingungen nicht.

Auf knapp 31 Milliarden Euro schätzt das Deutsche Institut für Urbanistik den Nachholbedarf bei kommunalen Straßen. Mit anderen Worten: An mancher löchrigen Fahrbahn hatte schon vor dem langen Winter der Zahn der Zeit genagt.

Überflüssige Verkehrsschilder
:Rodung im Schilderwald

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat den Schilderwald gelichtet: 22 Verkehrsschilder sind von der Straße verschwunden. Werden wir sie vermissen?

"Eine Straße, die top hergestellt ist, wird mit Frost keine Probleme haben", sagt auch Michael Teiser (CDU), Bürgermeister und Kämmerer der klammen Stadt Bremerhaven. "Insofern sind Kommunen mit schlechteren Straßen viel stärker betroffen." Städte mit wenig Geld haben nun häufig auch noch die höchsten Reparaturkosten. "So ist es eben oft im Leben", sagt Teiser. Andere Bauvorhaben müssen in Bremerhaven nun warten. Erst kommen die Löcher an die Reihe.

Teure Löcher

"Die Bürger würden kaum Verständnis haben, wenn wir die Schlaglöcher nicht reparieren." Zumal die Löcher teuer werden können, für Felgen, Achsen, Karosserie. Mehrmals haben sich Gerichte mit Schäden befasst, die auf Schlaglöcher zurückgehen. Selten allerdings ging es zu Gunsten der Autofahrer aus. Schließlich verlangt die Straßenverkehrsordnung ausdrücklich Rücksicht auf die Straßenverhältnisse.

"Vorsicht Schlagloch!"

Wer auf einer schlechten Straße mit 50 Kilometern pro Stunde durch ein Schlagloch fährt, kann sich kaum an der Kommune schadlos halten - selbst wenn die längst den Schaden hätte ausbessern können. "Ich muss als Autofahrer die Straße so nehmen, wie sie ist", sagt Jörg Elsner, Vorsitzender des Verkehrsrechtsausschusses beim Deutschen Anwaltverein. Entscheidend sei die Frage: "Konnte man das Loch erkennen?" Viele Kommunen weisen offensiv auf Löcher hin - soll keiner sagen, er habe von nichts gewusst.

"Wir können jetzt auf die Schnelle zwar nur die größten Löcher flicken", sagt Landsberg. Bei allen anderen aber genügten Städte und Gemeinden ihren Pflichten. "Da stellen wir Warnschilder auf: Vorsicht Schlagloch!", sagt Landsberg. "Was bleibt uns anderes übrig?"

In Niederzimmern dagegen wird es bald einen Gedenkstein geben, als Erinnerung an den Winter 2009/10. "Wenn mir noch einmal so was einfiele", sagt Niederzimmerns Dorf-Bürgermeister Christoph Schmidt-Rose, "ich würde es sofort machen." Es müssen ja nicht unbedingt Schlaglöcher sein.

© SZ vom 26.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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