Finanznot:Park-Verbot in Saarbrücken

Im Netz gibt es einen Proteststurm - wegen eines Parks: Entgegen dem bundesdeutschen Trend der Pflanzen- und Landlust schließt der Botanische Garten.

Von Susanne Höll

Wer am Freitag in Frankfurt, Bonn oder Kassel nicht im Pflanzencenter, sondern im Botanischen Garten nach Ideen für die heimische Beetgestaltung sucht, wird enttäuscht. Die Tore werden geschlossen sein. Etliche der 90 Anlagen in Deutschland treten in einen eintägigen Solidaritätsstreik, gegen einen aus ihrer Sicht höchst frevelhaften Vorgang. Erstmals wird ein Botanischer Garten geschlossen, der in Saarbrücken. 1952 wurde er eröffnet, am 1. April - das ist leider kein Scherz - wird er offiziell dichtgemacht. Angeblich aus Geldmangel. Das Saarland ist bekanntlich arm und muss sparen.

"Unfug", sagt Direktor Wolfgang Stein, der lange um den Garten kämpfte, zwei Mal Schließungen verhindern konnte und nun sein Lebenswerk auflösen muss. Als Hilfskraft jätete der Student Stein Unkraut auf dem Gelände, seit 1998 war der promovierte Biologe Chef, jetzt ist er Insolvenzverwalter. Das bricht dem 59-Jährigen das Herz. Für ihn sind zwei Dinge klar. Der Fortbestand des Gartens scheitert nicht am Geld, sondern an fehlendem Interesse der Landesregierung an den Wundern der Botanik. "Hier wird eine Kulturschande begangen", schimpft Stein.

Etwa 500 000 Euro jährlich kostet der Betrieb der Anlage mit heimischen und exotischen Pflanzen, die an die Universität Saarbrücken angegliedert ist. Da die Hochschule sparen muss, entschied sie sich für die Schließung des Gartens, um den Fortbestand von Studiengängen zu sichern. In irgendeinem Budget hätte sich die Summe wohl gefunden, aber die Landesregierung winkte ab: Für Forschung und Lehre brauche man den Garten seit Jahren nicht mehr.

Der Betrieb lohne sich auch deshalb nicht, weil nur 2000 Besucher pro Jahr kämen, ließ die Landesregierung wissen. Stein widerspricht. Mindestens 20 000 Besucher habe man in jedem Jahr, davon 2000 bei Führungen. Nirgendwo in Deutschland diene ein Botanischer Garten noch universitären Studienzwecken. Eine arme Stadt wie Athen leiste sich sogar zwei, das ukrainische Lwiw immerhin eine solche Anlage.

Botanikfans machen ihrem Zorn im Internet Luft. Sie erinnern daran, wie viele Millionen Euro in landespolitischen Finanzaffären über Jahrzehnte hinweg vergeudet worden seien. Andere Pflanzenliebhaber wiederum lecken sich die Lippen und hoffen, aus den Beständen Steins ein besonders schönes und exotisches Exemplar zu ergattern, das in Gärtnereien oder Pflanzenmärkten nie und nimmer zu haben ist. Vor Ostern häuften sich schon die Diebstähle, ganze Kübel wurden abtransportiert, Stein war fassungslos und schloss die Anlage vorzeitig.

Nun muss er die seit Jahrzehnten sorgsam gehegten Blumen, Gräser und Gewächse verteilen. Besonders kostbare und geschützte Exemplare gehen an andere Botanische Gärten oder Spezial-Gärtnereien. Andere Pflanzen werden sterben, sie überstehen keinen Umzug. Der Rest wird an Privatiers verteilt. Stein weist darauf hin, dass deren Freude aber womöglich getrübt sein könnte. Denn mit den Pflanzen könne man sich Kakerlaken oder giftige Ameisen nach Hause holen, die man nie wieder loswerde. Diese Warnung bekommt jeder Interessent bei der Übernahme eines Gewächses schriftlich mit auf den Weg.

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