Süddeutsche Zeitung

Finanzminister Wolfgang Schäuble:Der Missstimmungsmacher

Nach dem Rücktritt seines Sprechers ist Finanzminister Schäuble schwer angeschlagen, außerdem ist neuer Ärger schon absehbar - in der Steuerpolitik. Und dann gibt es auch noch dieses Vier-Augen-Gespräch mit Kanzlerin Merkel.

P. Blechschmidt, G. Bohsem u. S. Braun

Wenn es einmal richtig schlecht läuft, kommt immer noch ein Problem dazu. Nicht nur, dass sich Wolfgang Schäuble durch den Umgang mit seinem Sprecher schwer geschadet hat. Nun droht im auch noch Ärger in der Steuerpolitik. Die FDP-Fraktion rebelliert und die Länder torpedieren seine Ideen. Festmachen konnte man die Schlechtwetterlage für Schäuble an diesem Mittwoch aber an einem Vier-Augen-Gespräch.

Dieses Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel ist offensichtlich nötig geworden, nachdem Schäubles herablassender Umgang mit seinem Sprecher zu dessen Rücktritt geführt hat. "Das größte Problem für Schäuble", so erzählt es ein prominenter Christdemokrat aus der Fraktion, "ist die Tatsache, dass sich jeder Mensch in Deutschland in Michael Offer hineinversetzen kann." Jeder habe solche Situationen schon mal erlebt, und jeder ahne, wie sich das anfühlen muss, wenn sich so etwas auch noch vor den Augen vieler anderer Menschen abspielt. "Bei uns ist normalerweise das Allermeiste sehr kompliziert. Aber die Bewertung dieser Affäre ist ganz einfach." Das macht es für Schäuble gefährlich.

Die Kanzlerin hat für Atmosphärisches durchaus ein Gespür und wird das ihrem Minister auch deutlich gesagt haben. Offiziell freilich ist über den Inhalt nicht viel bekannt geworden. Merkels stellvertretender Regierungssprecher berichtete nur, dass beide "ausführlich unter vier Augen" gesprochen hätten. Fortan würden "Bundeskanzlerin und Bundesregierung in die Zukunft schauen". Weitere Interpretationen mochte der Sprecher nicht geben und bat die Presse darum, das bitte nicht falsch zu interpretieren. Das kann fürs Erste eigentlich nur heißen, dass Schäuble bleibt, was er ist - wenn auch angeschlagen.

Schäubles Verhalten ist Gesprächsthema Nummer eins, auch wenn am Dienstagnachmittag in der Fraktion kein Einziger offen etwas gesagt hat. Fast täglich wird die Zahl der älteren Beamten und Abgeordneten größer, die sich selbst ihrer Demütigungen durch den strengen, einst als Fraktionschef sehr strengen und manchmal eben auch schmerzvoll herablassenden Schäuble erinnern. Doch gravierender als das sind noch die sich häufenden Kommentare, das Finanzministerium insgesamt werde nicht so gut geführt, wie das eigentlich sein müsste. Trotz alldem aber, auch das wird in den Kulissen der Union deutlich, steht eines bislang nicht zur Debatte: dass Schäuble wegen des Vorfalls seinen Posten verlieren könnte. "Schäuble ist nicht ablösbar", lautet intern die Parole.

Kein eigenes Konzept

Die Affäre Offer wäre auch dann kein so großes Thema in der Koalition, könnte Schäuble in der Steuerpolitik einen durchschlagenden Erfolg vorweisen. Insbesondere in der FDP wächst die Abneigung gegen einen Finanzminister, der zwar die liberale Steuerreform verhindert, aber bislang kein einziges eigenständiges Vorhaben vorlegen konnte, das auch den Liberalen gefiele. Beispiel Gemeindefinanzen. Hier beschied der FDP-Finanzexperte Volker Wissing kühl: "Die FDP ist im Steuerbereich an nachhaltigen strukturellen Lösungen interessiert und nicht am Stopfen von Haushaltslöchern auf Kosten des Steuerzahlers."

Die Liberalen fürchten, dass die Kommunen ihren Bürgern kräftig in die Tasche langen werden, wenn sie die Möglichkeit haben, einen Anteil der Einkommensteuer selbst zu erheben, wie es Schäuble ihnen vorgeschlagen hat. Ihre Fraktion fasste deshalb einen Beschluss, den man nur als unfreundlichen Akt gegen Schäuble werten kann: "Der jetzt vom Bundesfinanzminister und den kommunalen Spitzenverbänden zur Diskussion gestellte Vorschlag entspricht nicht dem Koalitionsvertrag. ... Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt das ab." Damit nicht genug, stellte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger Schäuble auch noch eine Art steuerpolitisches Ultimatum. So müsse er wie vereinbart die Kommission zur Reform der Mehrwertsteuer einsetzen. Zudem habe er im Dezember einen ausgearbeiteten Gesetzesentwurf zu präsentieren, mit dem das Steuerrecht deutlich vereinfacht werden könne.

Was Homburger genau weiß: Schäuble hat mit beiden Punkten seine Probleme. Die Reform der Mehrwertsteuer war ihm nie eine Herzensangelegenheit. Jede Verschärfung ruft den Widerstand von unzähligen und zum Teil enorm einflussreichen Lobbygruppen hervor. Will man dies umgehen, zahlt der Staat am Ende drauf, und das ist nicht im Sinne des Finanzministers.

Auch beim Thema Steuervereinfachung spürt Schäuble rauen Gegenwind. In einer Sitzung der obersten Steuerexperten der Länder wurde vor allem sein Vorschlag in der Luft zerrissen, die Steuererklärung nur noch alle zwei Jahre abzugeben. Eine Vereinfachung konnten die Beamten dadurch nämlich nicht erkennen. So sollen die Steuerzahler auch weiterhin für jedes Jahr eine Steuererklärung machen. Sie dürfen lediglich zwei Erklärungen zu einem Termin abgeben. Weil aber 90 Prozent der Steuerzahler eine Erstattung vom Finanzamt erhielten, käme die Zwei-Jahres-Lösung nur für wenige Personen in Frage und die Verwaltung werde auch nicht entlastet.

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SZ vom 11.11.2010/leja
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