Bundesregierung:Lindners Planänderung setzt Scholz unter Druck

Bundesregierung: Finanzminister Christian Lindner (li.) und Kanzler Olaf Scholz trugen sich mit Neubauplänen, um Räume für Mitarbeiter zu schaffen. Nun hat Lindner sich umentschieden.

Finanzminister Christian Lindner (li.) und Kanzler Olaf Scholz trugen sich mit Neubauplänen, um Räume für Mitarbeiter zu schaffen. Nun hat Lindner sich umentschieden.

(Foto: Imago)

Der FDP-Chef stoppt ein Neubauprojekt seines Finanzministeriums, um zu sparen - und nutzt das, um weiter gegen ein ähnliches Vorhaben des Kanzlers zu opponieren. Den bringt das in eine missliche Lage.

Von Georg Ismar und Kassian Stroh, Berlin

Noch ist das Areal ein Parkplatz, in dieser Lage mutmaßlich einer der wertvollsten in ganz Berlin. Eigentlich wollte das Finanzministerium hier Büros für Hunderte Mitarbeiter schaffen, direkt gegenüber von seinem Hauptsitz an der Wilhelmstraße. Doch am Dienstag hat der Chef das Vorhaben erst einmal auf Eis gelegt: Angesichts der hohen Staatsausgaben müsse man "auch wünschenswerte, aber nicht notwendige Vorhaben" überdenken, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) der Bild-Zeitung. Vielleicht wären Wohnungen besser als Büros.

Dabei geht es aber um weit mehr als nur um einen Neubau, der 600 bis 800 Millionen Euro kosten könnte. Mit seiner Ankündigung setzt Lindner auch den Bundeskanzler weiter unter Druck. Olaf Scholz (SPD) will nämlich seine Regierungszentrale ebenfalls erweitern, für vermutlich weit mehr Geld. Die Kritik an dem Projekt, das bis 2028 abgeschlossen sein soll und für das bereits die ersten Bäume umgesetzt werden, ist groß. Vergangene Woche setzte sich Lindner an die Spitze der Bewegung. In der TV-Sendung "Maischberger" forderte er mehr Sparwillen der Regierung und bezog da auch den Kanzler mit ein: "Ich glaube, dass in Zeiten von mehr Home-Office und ortsflexiblem Arbeiten ein mindestens 800 Millionen teurer Neubau neben dem Kanzleramt entbehrlich ist."

Bundesregierung: So könnte er einmal aussehen: Der Erweiterungsbau des Kanzleramts an der Spree.

So könnte er einmal aussehen: Der Erweiterungsbau des Kanzleramts an der Spree.

(Foto: Schultes Frank Architekten)

Mit der Ankündigung, die Baupläne seines eigenen Hauses wenn auch nicht gänzlich zu stoppen, so doch zu überprüfen, demonstriert Lindner, dass er zu sparen gewillt ist. Und er piesackt Scholz zusätzlich, indem er als alternative Nutzung sogar das ur-sozialdemokratische Anliegen Wohnungsbau ins Spiel bringt. Dies wolle er für das Areal prüfen, verspricht Lindner. "Uns fehlen bezahlbare Wohnungen. Es macht daher wenig Sinn, die knappen Flächen für neue Ministerien zu nutzen." Pikant ist zudem: Die Erweiterungspläne, die bisher etwa 35 Millionen Euro gekostet haben, hatte Scholz selbst 2019 in Auftrag gegeben, damals war er noch Finanzminister.

Der Anbau des Kanzleramts soll 800 Millionen Euro kosten - mindestens

Aus der Opposition bekommt Lindner dafür Lob. Die Ankündigung sei richtig, sagt Jan-Marco Luczak, baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Beim Bundeskanzleramt hingegen habe es die Ampelkoalition versäumt, sparsamere Varianten zu prüfen. Deshalb wäre eine "prachtvolle Erweiterung für bald eine Milliarde Euro ein völlig verfehltes politisches Signal".

Auch innerhalb der Ampel gibt es Kritik, für den FDP-Haushaltsexperten Otto Fricke beispielsweise ist klar, dass auch Scholz' Projekt auf den Prüfstand muss. "Christian Lindner sucht zu Recht nach möglichen Einsparmaßnahmen. Ebenso, wie er seine eigenen Baupläne unter die Lupe nimmt, kann man erwarten, dass seine Kabinettskollegen es ihm mit ihren Ausgabenvorhaben gleichtun", sagt Fricke. "Die von der Verfassung gebotenen Notwendigkeiten für den Haushalt 2024 betreffen alle gleichermaßen."

Die jüngste Kostenschätzung für die Kanzleramtserweiterung rangierte bei knapp 800 Millionen Euro - was aber offenkundig auch Lindner für unrealistisch niedrig hält. Wegen gestiegener Zinsen und Baukosten rechnen Experten damit, dass am Ende die Milliardenschwelle überschritten werden dürfte. Die Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, Sandra Weeser (FDP), hat daher vorgeschlagen, das Kanzleramt könne doch die durch die Wahlrechtreform und den kleineren Bundestag frei werdenden Bundestagsbüros nutzen, statt für viel Geld neu zu bauen.

Lindners Ansage bringt besonders die SPD in eine missliche Lage. Es hagelte schon Kritik, weil die Ampelkoalition immer weitere Stellen geschaffen hat, knapp 170 allein in der besonders hohen Besoldungsstufe B. Insgesamt ist die Beschäftigtenzahl in Kanzleramt und den Ministerien auf mehr als 30 000 Stellen angewachsen. Das führt auch zu erhöhtem Flächenbedarf. In der SPD-Fraktion wird in Richtung Lindner nun der Vorwurf erhoben, populistisch zu agieren. Offen infrage stellen will man den Erweiterungsbau des Kanzleramts nicht.

Bei Lindners Ministerium geht es um 500 Büros

Auch im Kanzleramt scheint man bei der bisherigen Linie zu bleiben. Die Planungen liefen seit vielen Jahren, seien immer wieder überprüft und im vergangenen Herbst schließlich abgesegnet worden, auch vom Finanzminister. Daran halte man fest, ist aus der Regierungszentrale ein ums andere Mal zu hören. Und auch, dass für das Vorhaben bereits 100 Millionen Euro ausgegeben worden seien, die bei einem Stopp verloren gingen.

Allerdings kann das Kanzleramt bisher nicht detailliert erläutern, wie es auf diese Summe kommt. "Wesentliche Objekt-, Fachplanungs-, Beratungs- und Sachverständigenleistungen sowie Leistungen für vorgezogene Maßnahmen" seien bereits beauftragt worden, betont ein Regierungssprecher. Gebaut wird aber noch nichts.

Wie beim Kanzleramt geht es auch beim Finanzministerium darum, Büros zu schaffen für Hunderte Mitarbeiter, die bisher über Berlin verteilt arbeiten - in Lindners Haus konkret um etwa 900 Büros in fünf angemieteten Immobilien. Was daraus wird und auch aus dem Konferenzzentrum, das in dem Erweiterungsbau Platz finden sollte, ist nach Lindners Ankündigung freilich ungewiss. Genauso wie die Antwort auf die Frage, ob Wohnhäuser auf dem gut 13 000 Quadratmeter großen Parkplatz überhaupt realisierbar sind.

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