Finanzmärkte und Demokratie:Geld regiert die Welt - wer regiert das Geld?

Das griechische Desaster zeigt: Die Dirigenten der Finanzmärkte haben sich aus der Demokratie ausgekoppelt.

Heribert Prantl

Europa steht am Scheideweg, sagt die Kanzlerin. Dort, am Scheideweg, stehen auch die deutsche und die europäische Demokratie. Aber das hat kaum einer angesprochen in der schicksalshaften Sitzung des Bundestages zur sogenannten Griechenlandhilfe. Geredet wurde von der Zukunft der Wirtschaft, von der Zukunft des Euro, von der Stabilität der Europäischen Union.

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In Europa dürfen nicht das Geld und die Finanzmärkte das Sagen haben.

(Foto: Foto: dpa)

Es muss aber auch darüber geredet werden, wie man es wieder hinkriegt, dass in Europa nicht das Geld und die Finanzmärkte das Sagen haben, sondern die Volksvertretungen und die von ihnen gewählten Regierungen. Demokratie ist Selbstbestimmung, die Parlamente sind Organe dieser Selbstbestimmung. Wenn sich das Gefühl verfestigt - sei es in Griechenland, sei es in Deutschland, aus jeweils anderen Gründen - dass Parlamente nur noch Abnickstationen sind für angeblich alternativlose Entscheidungen, dann wird die Demokratie delegitimiert.

Demokratie ist eine Gemeinschaft, in der Menschen ihre Zukunft miteinander gestalten. Die Dirigenten der Finanzmärkte haben sich aus diesem Miteinander ausgekoppelt. Das war und ist die Ursache für die internationale Finanzkrise, in der das griechische Desaster eine neue Etappe darstellt. Banken, die vor zwei, drei Jahren von den Staaten gerettet wurden, wetten und spekulieren jetzt auf den Bankrott ihrer Retter, der Wohltäter von damals. Bisher schreitet die Politik dagegen nicht ein, sie unterbindet solch groben Undank nicht - sondern versucht nur, die schlimmen Folgen dieses groben Undanks zu minimieren.

Kraft und Zukunft demokratischer Politik hängen aber davon ab, klare Regularien für die Finanzmärkte durchzusetzen. Den Währungsspekulanten muss ihr Handwerkszeug weggenommen werden. Finanztransaktionen müssen mit Umsatzsteuer belegt werden. In der Beratung und Verabschiedung solcher Gesetze besteht der "Primat der Politik", von dem Angela Merkel redet, nicht aber im Knüpfen immer gewaltigerer Hilfspakete.

Vor eineinhalb Jahren hat der deutsche Gesetzgeber in vier Tagen das 500-Milliarden-Paket zur Rettung der Banken verabschiedet. In gleicher Hast muss nun das Milliarden-Hilfspaket für Griechenland gepackt werden. Die Schnelligkeit, die von den Abgeordneten verlangt wird, ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist die Hilflosigkeit, mit der die Abgeordneten vor solchen Entscheidungen stehen. Sie sind aufgewühlt, vielleicht auch verängstigt von der Dimension dieser Projekte, zu denen es angeblich keine Alternative gibt.

Die ungeheueren Hilfspakete werden als "Ultima Ratio" bezeichnet. Die Bürger werden diese Behauptung nur dann akzeptieren, wenn sie das Gefühl haben, dass im Übrigen Ratio, also politische Vernunft herrscht - welche im Bemühen um die Regulierung der internationalen Finanzindustrie besteht. Wenn die Parlamente zur Kläranlage für die Fäkalien der Finanzmärkte verkommen, muss Demokratiealarm ausgerufen werden.

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