Finanzmärkte:Angriff auf die Deutsche Bank

Mächtige US-Hedgefonds spekulieren gegen Deutschlands größtes Geldinstitut. Vorstandschef John Cryan wehrt sich. Auch für die Bundesregierung wird die Lage heikel.

Von Cerstin Gammelin und Meike Schreiber

John Cryan gilt als nüchterner Manager. Doch an diesem Freitag kann man seine Nervosität mit Händen greifen. In einem Brief wendet sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank am Vormittag an die Belegschaft: "Unsere Bank ist Gegenstand heftiger Spekulationen geworden, immer neue Gerüchte führen dazu, dass unser Aktienkurs inzwischen heftigen Ausschlägen unterliegt", schreibt Cryan. "Am Markt sind gerade einige Kräfte unterwegs, die dieses Vertrauen in uns schwächen wollen."

In der Frankfurter Zentrale der Bank ging am Morgen die Angst um: Erstmals in der Geschichte des Unternehmens fiel der Aktienkurs der Bank zeitweise sogar unter zehn Euro. Vor gut einem Jahr, zu Cryans Amtsantritt, war das Papier noch für 28 Euro und vor Ausbruch der Finanzkrise für mehr als 100 Euro zu haben gewesen - ein fast beispielloser Absturz, der nicht nur Erinnerungen weckt an die Finanzkrise, ausgelöst durch die folgenschwere Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers vor genau acht Jahren. Er bringt seit einigen Tagen sogar die Bundesregierung in Erklärungsnöte.

Am frühen Abend jedoch ein bisschen Hoffnung: Wie die Nachrichtenagentur AFP meldete, soll sich die Bank mit dem US-Justizministerium auf eine Strafzahlung von 5,4 Milliarden Dollar geeinigt haben. Was immer noch enorm klingt, wäre in Wirklichkeit ein Befreiungsschlag, der zudem viel früher käme als erwartet. Entsprechend erholte sich der Aktienkurs am Abend. Denn von den vielen Herausforderungen, welche die Bank bewältigen muss, war dies die kritischste: Eigentlich wollte das US-Justizministerium eine Strafe von 14 Milliarden Dollar gegen die Bank verhängen - für Geschäfte aus der Zeit vor der Finanzkrise. Seither waren die Anleger in heller Aufregung. Bis zum späten Freitagabend gab es für die Meldung der Nachrichtenagentur nokeine Bestätigung. Viele Indizien sprechen aber dafür, dass es zuletzt Kontakte zwischen dem Bundesfinanzministerium und den US-Kollegen gegeben hat, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Immer größer wurde der Druck: Denn die einst so stolze Deutsche Bank ist zum Spielball der Gerüchte geworden. Auslöser der Kursverluste waren Meldungen, wonach einige Hedgefonds Geldbestände bei der Bank reduziert hätten. Was bei Geldhäusern eigentlich tagtäglich vorkommt, löste jetzt bei Anlegern Ängste aus, die Deutsche Bank könne in Liquiditätsschwierigkeiten geraten und das Finanzsystem mitreißen. In seiner Not trat Cryan am Freitag den wachsenden Sorgen entgegen. Weder sei die "Ungewissheit über den Ausgang unseres Rechtsverfahrens in den Vereinigten Staaten" ein Grund für das Kursminus, noch drohe die Bank auszutrocknen. Das Institut verfüge weiterhin über "mehr als 215 Milliarden Euro" Liquiditätsreserven.

Finanzmärkte: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Zahlreiche Bankanalysten großer Institute sprangen ihm zur Seite. Das Institut habe "viele Probleme, aber Liquidität gehört nicht dazu", schrieb etwa der bekannte Analyst und Deutsche-Bank-Kritiker Stuart Graham von der britischen Firma Autonomous Research. Es bestehe zudem "kein Zweifel, dass die Deutsche Bank umfangreiche zusätzliche Liquidität von der EZB erhalten könnte, sollte sie diese je brauchen".

Die Blicke richteten sich aber nicht nur auf die Zentralbank, sondern vor allem auf Berlin. In Finanzkreisen wurde bereits spekuliert, ob die Attacken auf die Bank auch auf das Bundesfinanzministerium abzielen. Denn hatte man sich dort nicht strikt gegen staatliche Hilfen und für die Beteiligung von Gläubigern eingesetzt, zuletzt, als es um die Rettung italienischer Banken ging? Testen die Märkte also, ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auch dann bei seiner harten Linie bleibt, wenn es um eine deutsche Bank geht?

Die Bundesregierung mauerte, auch am Freitag hieß es: kein Kommentar, weder zum Kurssturz noch zur Zukunft der Bank oder zu einer möglichen Einigung. Alles, was man in Berlin sagt, kann den Kurs nur wieder schwächen. Erneut verwies ein Sprecher darauf, dass die Bundesregierung kein Rettungspaket für die Bank vorbereite. Und bei einem Telefonat am Donnerstag zwischen dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama und Angela Merkel sei die Lage des Instituts angeblich kein Thema gewesen. Unter der Hand aber wurde längst in Berlin über Hilfen der bundeseigenen Förderbank KfW geredet - doch vielleicht hat sich das fürs Erste erledigt.

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