Finanzkrise in Europa:Wie Spanien an der Krise zu verzweifeln droht

Steuern erhöht, Haushalte gekürzt, Strukturen geändert: Spanien spart und reformiert wie nie und findet trotzdem keinen Weg aus der Krise. Die Vergleichsgröße Griechenland will nicht weichen, Hoffnung ist in Zeiten einer allumfassenden Vertrauenskrise zu einem raren Gut geworden. Und die Regierung Rajoy spielt eine fast schon bestürzend lausige Rolle.

Javier Cáceres

Spanien ist nicht Griechenland. Das war der Satz, den die Spanier seit Ausbruch der europäischen Schuldenkrise vor sich hergebetet haben wie ein Mantra. Damit war immer gemeint: Spanien ist ein stabiles Land mit funktionierenden Institutionen und mit einer ungleich stärkeren wirtschaftlichen Substanz. Es hieß: Spanien betrügt nicht, weder seine Partner noch andere. Nun geht die Krise schon in ihr fünftes Jahr. Spanien hat zahllose Strukturreformen ergriffen, Haushalte gekürzt, Steuern erhöht - doch die Vergleichsgröße Griechenland will nicht weichen.

Spain's Prime Minister Rajoy attends the naming of the High Commissioner for the Spain brand at Moncloa palace in Madrid

Viel gewollt, wenig erreicht: Spaniens Permier Mariano Rajoy macht in der Krise nicht den Eindruck, einen Plan zu haben.

(Foto: REUTERS)

Spanien liefert tatsächlich keinen Anlass zur Dramatisierung. Aber der soziale Frieden ist brüchig. Die Empörten haben sich mit den Gewerkschaften versöhnt. Es gibt nicht eine einzige Institution des öffentlichen Lebens, die nicht von einer schweren Vertrauenskrise erfasst wäre. Das Königshaus, die Politik, die Wirtschaftselite, die Justiz und auch die Medien haben dramatisch an Ansehen verloren. Spanien spart und reformiert wie nie, baut Schuldenbremsen in die Verfassung, strukturiert alles um. Doch Hoffnung ist zu einem raren Gut geworden.

Vor ein paar Tagen erst teilte der Vorsitzende des Wirtschafts- und Sozialrates, eines beratenden Organs der Regierung, seine Prognose mit: Frühestens und bestenfalls werde Spanien die Wirtschaftskraft des Jahres 2007, den Vorkrisenzustand also, im Jahr 2025 wiedererlangen können. Frühestens und bestenfalls, das heißt, wenn ab 2014 atemraubende 300.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Jährlich. Woher ein solcher Impuls kommen könnte, ist nicht erkennbar. Das Land wird auch 2013 in der Rezession verharren.

Spanien hat offiziell mehr als 20 Prozent Arbeitslose, das sind fünf Millionen Menschen. Die so oft als bestausgebildete Generation der Geschichte gerühmte Jugend flieht vor der Perspektivlosigkeit ins Ausland.

Die neuen Emigranten hinterlassen ein Land, das die Kosten der Krise auf die Schwächsten abwälzt - und tagtäglich neuen Anlass zum Staunen liefert. Gerardo Díaz Ferrán etwa, bis zur monumentalen Pleite seines Tourismusunternehmens noch Chef des Unternehmerverbandes CEOE, soll ein Millionenvermögen in die Schweiz verschoben haben. Allein: Spaniens Regierung hat gerade erst den Steuerbetrug amnestiert. Niemand wird dafür zur Rechenschaft gezogen, dass die Banken des Landes derart große Milliarden-Löcher aufweisen, die nur noch mit fremdem Geld gestopft werden können.

Die Regierung spielt eine lausige Rolle

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, etwa zur Pleite des Geldhauses Bankia, bei der die Politik eine fatale Rolle spielte? Fehlanzeige. Lediglich eine Parodie ist zu sehen, ein Auftritt des ehemaligen Bankenchefs Rodrigo Rato vor dem Wirtschaftsausschuss. Fragen muss er dabei nicht beantworten. Der 1978 formulierte Anspruch des Königreichs, ein demokratischer Sozialstaat zu sein, verkommt zur Phrase.

Nicht nur Bildungs- und Gesundheitsetats werden auf dem Altar der Austerität geopfert, sondern auch Mitspracherechte. Gerade wurde beschlossen, die Anzahl der (teilweise ehrenamtlich tätigen) Gemeinderäte zu verknappen. Das lässt sich auch als Angriff auf die Existenz kleinerer Parteien deuten. Viele Spanier wünschten sich (nicht nur am Donnerstag), Deutsch zu sprechen - weil sie dann eine Debatte im Bundestag über die Bankenhilfe in einer Offenheit verfolgen könnten, die von Spaniens konservativer Regierung gemieden wird.

Überhaupt spielt Spaniens Regierung eine fast schon bestürzend lausige Rolle. Jahrelang hatten die Konservativen vom Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero vorgezogene Wahlen gefordert. Offenbar wollten sie vieles besser machen. Doch seit Zapatero abgelöst wurde, hat sein Nachfolger Mariano Rajoy noch nicht den Eindruck erweckt, einen Plan zu haben. Er erklärt weder sich noch seine Politik.

Rajoy predigt achselzuckend, spricht von "Alternativlosigkeit" und wälzt die Verantwortung für unangenehme Maßnahmen auf die europäischen Partner ab. Als ob die ihn gezwungen hätten, die Mehrwertsteuer auf alles zu erhöhen, nicht aber für Stierkämpfe und Fußballveranstaltungen, das einzige noch funktionierende Opium des spanischen Volkes.

Mittlerweile wirkt Rajoy so aufgebraucht, dass Gerüchte über eine mögliche Ablösung die Runde machen - für den Fall, dass Spanien doch noch ganz unter den Rettungsschirm schlüpfen sollte. Ausgeschlossen ist das nicht. Die Investoren fordern für spanische Staatsanleihen Zinsen, die Portugal, Irland und eben auch Griechenland zur Aufnahme von Notkrediten zwangen. Es wäre tragisch, für die Menschen eines Landes, das gegenwärtig die Grenzen seiner Leidensfähigkeit erprobt.

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