Finanzkrise:Gesundheitsfonds braucht drei Milliarden Euro

Ministerin Ulla Schmidt rechnet wegen der Rezession mit gewaltigen Beitragsausfällen, die der Bund zahlen muss.

Guido Bohsem

Die massive Rezession in Deutschland wird nach Einschätzung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) milliardenschwere Einnahmeausfälle beim Gesundheitsfonds zur Folge haben. Mit Blick auf das am Donnerstag veröffentlichte Gutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute sagte sie der Süddeutschen Zeitung: "Wenn solche Prognosen tatsächlich eintreten würden, würden über drei Milliarden Euro weniger Beiträge fließen."

Finanzkrise: Teures Gesundheitssystem: "Ohne Fonds und einheitlichen Beitragssatz müssten Kassen ihre Beiträge auf Werte über 18 Prozent anheben", sagt die Ministerin.

Teures Gesundheitssystem: "Ohne Fonds und einheitlichen Beitragssatz müssten Kassen ihre Beiträge auf Werte über 18 Prozent anheben", sagt die Ministerin.

(Foto: Foto: AP)

Die von der Regierung beauftragten Konjunkturexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um etwa sechs Prozent sinken wird. Auch im Jahr 2010 werde das Bruttoinlandsprodukt schrumpfen und zwar um 0,5 Prozent. Durch die Krise könne die Zahl der Arbeitslosen Ende des kommenden Jahres auf knapp fünf Millionen Euro ansteigen.

Gleichzeitig rechnen die Wirtschaftsforscher mit sinkenden Löhnen und Gehältern. Die sozialen Sicherungssysteme werden dadurch gleich doppelt beeinträchtigt. Zum einen erhöhen sich die Ausgaben für die Arbeitslosigkeit und gleichzeitig sinken die Einnahmen der Sozialkassen.

"Noch stärkerer Einbruch"

Dies gilt nach Einschätzung Schmidts für das Gesundheitssystem bereits im laufenden Jahr. "Der prognostizierte noch stärkere Einbruch bei Beschäftigung und Löhnen beeinflusst natürlich die Beiträge der Arbeitnehmer, die in den Gesundheitsfonds fließen", sagte sie.

Der Fonds hatte Anfang des Jahres seine Arbeit aufgenommen. Er zieht über die Krankenkassen die Beiträge der Arbeitnehmer und der Unternehmen ein, verteilt sie nach einem festgelegten Schlüssel und schüttet die Mittel in monatlichen Zahlungen an die etwa 200 gesetzlichen Versicherer aus.

Insgesamt verteilt der Fonds in diesem Jahr etwa 167,6 Milliarden Euro. Daran ändern auch die Krise und sinkenden Einnahmen nichts. Für das bei der Verteilungsmaschine entstehende Finanzloch muss nämlich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) einstehen. Bei der Gesundheitsreform wurde festgelegt, dass bei Mindereinnahmen aus dem Haushalt ein unverzinsliches Darlehen an den Fonds geht.

Rückzahlung erst 2011

Das wird die Neuverschuldung 2009 weiter in die Höhe treiben, zumal Bund, Länder und Gemeinden im Zuge der Rezession ohnehin mit geringeren Steuereinnahmen auskommen müssen. Erst im Jahr 2011 muss der Fonds das Geld zurückzahlen. Entsprechend weniger wird dann voraussichtlich den Kassen zur Verfügung stehen. Versicherer und Verbände haben bereits angekündigt, dass damit zusätzliche Beitragslasten auf ihre Mitglieder zukommen werden. Behalten die Institute recht, dann dürften im kommenden Jahr die Beitragseinnahmen weiter sinken, voraussichtlich sogar stärker als 2009.

Durch den Mechanismus des Fonds befinden sich Patienten und Krankenkassen nach Schmidts Einschätzung jedoch aktuell trotz der Krise auf der sicheren Seite. "Durch den Gesundheitsfonds können die Krankenkassen ihre Aufgaben ohne Finanzsorgen erfüllen", unterstrich sie. Die konjunkturbedingt ausfallenden Beiträge würden in diesem Jahr vom Steuerzahler ausgeglichen.

So sicher wie nie zuvor

Diese "kluge Maßnahme" verschaffe der gesetzlichen Krankenversicherung eine so sichere Basis, wie es sie bisher nicht gegeben habe, sagte sie. "Ohne den Fonds und den einheitlichen Beitragssatz müssten einzelne Kassen ihre Beiträge mitten in der Krise auf Werte über 18 Prozent anheben." Derzeit liegt der Beitragssatz für die Krankenversicherung bei 15,5 Prozent, wovon die Arbeitgeber 7,3 Punkte zahlen. Im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets hatte die große Koalition beschlossen, den Beitrag Anfang Juli um 0,6 Punkte auf 14,9 Prozent zu senken. Das entspricht der durchschnittlichen Höhe vor der Einführung des Gesundheitsfonds.

Ende April wollen die Experten der Krankenkassen, des Bundesversicherungsamtes und des Gesundheitsministeriums in Bonn zusammenkommen, um eine konkrete Schätzung über die Einnahmeentwicklung des Gesundheitsfonds abzugeben. Grundlage für die Annahmen wird die Wachstumsprognose der Bundesregierung sein, die Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der kommenden Woche vorstellen möchte.

Nach Angaben aus Regierungskreisen wird sie mit voraussichtlich fünfeinhalb Prozent leicht besser sein als die Erwartungen der Institute. Derzeit geht die Regierung noch von einem Minus von 2,25 Prozent aus.

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