Finanzkrise:Banker vor Gericht

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Wer gezockt hat, muss zahlen - und ein Finanzminister, der jetzt nicht Schadensersatz fordert, ist eines Tages selber dran.

Marcus Lutter

Deutsche Banken haben durch den Erwerb amerikanischer Wertpapiere unvorstellbar hohe Verluste erlitten und mussten mit Geldern des Bürgers vor dem Untergang gerettet werden. Diese Verluste waren nicht die Folge eines Erdbebens oder eines Tsunami, sondern das Ergebnis menschlichen Handelns, in concreto der Vorstände deutscher Banken. Haften diese dafür?

Banker sollen für ihr Tun zur Verantwortung gezogen werden - findet Marcus Lutter, Sprecher des Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht an der Uni Bonn. (Foto: Foto: APD)

Ehe wir diese Frage beantworten können, müssen wir genauer wissen, was geschehen ist: In den Jahren vor Ausbruch der Krise haben private und öffentliche Banken für unglaubliche Summen spezielle US-Wertpapiere gekauft - die Industriekreditbank (IKB) in Düsseldorf für 25 Milliarden Euro, die Hypo Real Estate (HRE) in München für mindestens 30 Milliarden, die Sächsische Landesbank, die Bayerische Landesbank, die Westdeutsche Landesbank je für 20 bis 30 Milliarden etcetera.

Natürlich hatten die meisten dieser Banken gar nicht das Geld für diese absurd hohen Wertpapierkäufe; sie haben es sich kurzfristig geliehen. Nach Ausbruch der Krise wurden diese Papiere wertlos, die Banken damit außer Stande, die kurzfristig aufgenommenen Kredite zurückzuzahlen.

Ersatz für das schwaches heimisches Geschäft

Warum haben die Banken das gemacht? Das Geschäft einer Mittelstandsbank wie der IKB und vor allem das Geschäft der Landesbanken ist nicht sehr ertragreich. Man war daher auf der Suche nach einem Ersatz für das schwache heimische Kreditgeschäft. Der Zins auf US-Wertpapiere aber lag höher als unser heimischer Zins, die Zinsdifferenz brachte Ertrag; je mehr Papiere man kaufte, um so höher war dieser Ertrag: Es waren reine Spekulationsgeschäfte ohne jeden wirtschaftlichen Hintergrund.

Damit bleibt die Frage, ob die Bankiers bei diesen spekulativen Käufen und ihrer Finanzierung wenigstens die vom Gesetz geforderte Sorgfalt beachtet haben. Das nun war ganz und gar nicht der Fall. Bei den Landesbanken schon deswegen nicht, weil ihnen das Gesetz solche Geschäfte gar nicht erlaubt. Alle Maßnahmen öffentlicher Einrichtungen müssen einem öffentlichen Zweck dienen; das schließt ein reines Gewinnstreben aus.

Daher hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof am 28. August festgestellt: "Die Betätigung der SachsenLB auf den Kapitalmärkten war von ihren gesetzlichen Aufgaben nicht mehr gedeckt." Die Vorstände der öffentlichen Banken haben mithin gegen das Gesetz verstoßen, und schon deswegen schulden sie ihrer Bank Schadensersatz.

Den privaten Banken erlaubt das Gesetz solche Geschäfte. Hier also ist die Frage zu beantworten, ob sie dabei die Sorgfalt eines ordentlichen Bankiers beachtet haben. Das ist nicht der Fall. Hätten die Bankiers sorgfältig gehandelt, dann hätten sie sich über die massenweise gekauften Papiere informiert. Sie hätten dann festgestellt, dass die fraglichen Papiere Kredite an amerikanische Hausbesitzer zum Inhalt haben, dass die ausgebenden Banken dafür aber nicht haften und häufig genug die Hausbesitzer auch nicht - sondern nur das fragliche Haus. Zahlt der Kreditnehmer nicht, muss das Haus versteigert werden. Geschieht das häufiger, bricht der Markt für Häuser zusammen. So ist es geschehen. Die Papiere wurden wertlos.

Der deutschen Bankenaufsicht entzogen

Hätten die Bankiers sorgfältig gehandelt, so hätten sie nicht 20 oder 30 Milliarden Euro in ein und das gleiche Risiko investiert. Seit eh und je kann man in den Lehrbüchern des Bank-Managements lesen, dass es gilt, so genannte Klumpenrisiken zu vermeiden; ja, für bestimmte Arten solcher Risiken steht das sogar im Gesetz. So aber verloren die Banken auf einen Schlag hin 20 und mehr Milliarden Euro und waren, wie Lehman Brothers in den USA, von heute auf morgen pleite. Genau das soll verhindert werden mit dem Verbot von Klumpenrisiken.

Hätten die Bankiers sorgfältig gehandelt, so hätten sie diese Geschäfte nicht ins Ausland verlagert, in (damals) nicht bilanzpflichtige "Zweckgesellschaften" vor allem in Irland. So haben sie sich der deutschen Bankenaufsicht entzogen. Die aber ist gerade zu ihrem Schutz geschaffen worden, um sie auf unvermerkte Risiken hinzuweisen: Die Bankiers haben also wissen- und willentlich die Bremsen aus ihrem Wagen ausgebaut.

Steht damit fest, dass diese Leute ihre Pflichten zu sorgfältiger Führung ihrer Bank verletzt haben, dann steht auch fest, dass sie den Schaden ihrer Bank ersetzen müssen - nicht anders als ein Bauunternehmer, dessen schlampig gebautes Haus einstürzt: Alle diese Banken wären eingestürzt, hätte die öffentliche Hand sie nicht abgestützt; mit 100 Milliarden Euro allein das Haus der Hypo Real Estate. Mit 100.000.000.000.

"Vorstände müssten Schadensersatz leisten"

Zurück zu den Vorständen. Sie haben ihre Pflichten verletzt und schulden ihrer Bank Schadensersatz. Natürlich können sie die angerichteten Schäden bei weitem nicht ersetzen. Aber das ist kein Argument. Zum einen ist jede Million willkommenes Geld. Zum anderen muss Gerichten die Möglichkeit gegeben werden, über die Pflichtverletzungen dieser Vorstände zu befinden. Nur dadurch können wir sicher sein, dass sich solche Dinge nicht wiederholen; denn den Reden von Professoren glauben Manager von Banken sowieso kein Wort.

Vor allem aber geht es nicht an, vom Bürger Milliarden und Abermilliarden Euro an Hilfe zu verlangen und die Schuldigen einfach ungeschoren zu lassen. Das aber geschieht zurzeit. Hat man etwas gehört von solchen Klagen gegen die schuldigen Manager der Hypo Real Estate? Nichts. Hat man etwas gehört von solchen Maßnahmen gegen die schuldigen Vorstände der Bayerischen Landesbank oder der einstigen Sächsischen Landesbank? Nichts.

Das ist ein Skandal. Vom Bürger verlangt man irrsinnige Summen, um die Schäden zu beseitigen, die diese Bankiers angerichtet haben. Diese aber lässt man laufen. Glaubt man wirklich, die Bürger merken das nicht? Und glaubt man wirklich, auf diese Weise das Vertrauen der Bürger in Wirtschaft und Banken wiederzugewinnen? Es ist allerhöchste Zeit, sich zu besinnen. Denn nach fünf Jahren verjähren diese Ansprüche; und von dieser Zeit ist schon viel verstrichen. Wenn das passiert, werden die heute Zuständigen selbst schadensersatzpflichtig.

Denn sie haben dann ihre eigene Rechtspflicht verletzt, Ansprüche der geschädigten Bank auch wirklich durchzusetzen. Und politisch wäre es eine Katastrophe, wenn die Finanzminister von Bayern, Sachsen, Nordrhein-Westfalen etcetera zugeben müssten, dass sie die Ansprüche gegen die schuldigen Vorstände haben verjähren lassen.

Marcus Lutter, 79, ist Sprecher des Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht an der Uni Bonn. Er gehörte der Regierungskommission "Corporate Governance" an.

© SZ vom 28.12.2009/abis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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