Süddeutsche Zeitung

Finanzhilfen:Geld und Menschenrecht

Lesezeit: 2 min

Erdoğan versucht wegen der Wirtschaftskrise, die EU milde zu stimmen. Sollte die Bundesregierung ihm nun aus der Patsche helfen?

Von Stefan Braun

Andrea Nahles, die SPD-Chefin, dürfte gewusst haben, was sie mit ihrer Botschaft auslösen würde. Als sie am Wochenende sagte, es könne der Moment kommen, an dem man der wirtschaftlich in die Krise geratenen Türkei helfen müsse, war klar: Das hat heftige Reaktionen zur Folge.

Die Türkei des Recep Tayyip Erdoğan - das ist ein großes Reizthema in Deutschland. Und wenn die Vorsitzende der Sozialdemokraten fordert, ausgerechnet diesem Land müsse man möglicherweise zur Seite springen, ist Aufregung programmiert. Zu sehr hat Erdoğan Deutschland provoziert; zu oft hat er signalisiert, dass ihn deutsche Ermahnungen zum Beispiel in Sachen Menschenrechte nicht interessieren.

Also sagte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock, sie lehne bedingungslose Hilfen für das Land ab. "Finanzielle Hilfe kann es nur unter der Bedingung der Rückkehr zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geben", sagte Baerbock. Nicht anders klang der außenpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt. Der Christdemokrat sagte, von Hilfen halte er wenig, solange sich das Regime in Ankara beim Thema Meinungsfreiheit nicht grundsätzlich ändere. "Wenn er da nicht rauskommt aus der Ecke, macht es keinen Sinn, Wirtschaftshilfen oder Finanzhilfen zu gewähren." Dass die Journalistin Meşale Tolu nun ausreisen darf, ändert erst einmal nicht viel.

Noch deutlicher gaben sich Politiker von FDP und CSU. Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff erklärte: "Hier muss man nicht helfen." Er sprach von einem "absurden" Vorschlag und warf der SPD "eine Art Helfersyndrom vor". Es bestehe keine Ansteckungsgefahr für die Weltwirtschaft durch die Türkei und also kein Handlungsbedarf. Ähnlich eindeutig formulierte der bayerische Finanzminister Albert Füracker sein Nein. Der CSU-Politiker betonte, Hilfen seien "weder notwendig noch ratsam". Im übrigen sei der Internationale Währungsfonds der Ansprechpartner. Ein Diktum, das der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger von der CDU wiederholte.

Was indes bei allen Wortmeldungen deutlich wurde: Kaum einer rief bedingungslos Nein; die meisten sagten bedingungsvoll Jein. Denn alle wissen, wie heikel es wäre, wenn die Türkei in die totale Krise geraten würde. Selbst harte Kritiker einer Hilfe wie Lambsdorff betonen, dass auf keinen Fall alle Brücken zur Türkei abgebrochen werden dürften. Helfen, wenn die Bedingungen passen - das ist der Ton, der bei den meisten mitschwingt.

Auch Regierungssprecher Steffen Seibert hinterließ am Montag diesen Eindruck. Der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel erklärte zunächst, dass Hilfen nicht zur Debatte stünden - und sagte einen Satz später, dass eine instabile Türkei nicht im Interesse Berlins sein könne. Aus diesem Grund, so Seibert, würden sich vor dem geplanten Besuch von Erdoğan in Deutschland Ende September ja auch die Finanz- und Wirtschaftsminister der beiden Länder treffen.

Bis dahin dürfte die Debatte weitergehen. Und dann wird sich auch zeigen, ob Andrea Nahles einfach mal eine Idee lancieren wollte - oder mit einem konkreten Vorschlag aufwartet. Anders als ihre Kritiker ist sie bei den Bedingungen bislang reichlich unpräzise geblieben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4097826
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.08.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.