Hamburg (dpa/lno) - Trotz des Krieges in der Ukraine, einer mauen Konjunktur, steigender Zinsen und der Nachwehen der Corona-Pandemie hat die Stadt Hamburg das vergangene Jahr mit dem größten Jahresüberschuss ihrer Geschichte abgeschlossen. Insgesamt sei ein „bereinigtes Jahresergebnis“ in Höhe von fast 3,3 Milliarden Euro erwirtschaftet worden, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) bei der Präsentation des vom Senat beschlossenen Geschäftsberichts.
Im Jahr 2022 lag das Ergebnis den Angaben zufolge noch bei 28 Millionen Euro. Gleichzeitig warnte er aber vor etwaigen Begehrlichkeiten: „Es gibt keine Spielräume für etwas außer der Reihe und für neue Wünsche.“ Am Mittwoch will der Senat den Haushaltsentwurf für die Jahre 2025 und 2026 in die Bürgerschaft einbringen.
Dressel sagte, es müssten etwa die jüngsten Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst umgesetzt werden. Es gelte, steigende Sozialausgaben und höhere Kosten für die Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden aufzufangen, und dann sei da noch der Bund. So kritisierte er etwa die Pläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zur kalten Progression für Spitzenverdiener scharf. „Das ist etwas, was wir auf den Prüfstand stellen müssen. (...) Wir können uns in der Lage gravierende Einnahmeminderungen nicht leisten.“
Dressel offen für Absenken der Grunderwerbsteuer bei einzelnen Gruppen
Offen zeigte sich Dressel jedoch für eine Senkung der Grunderwerbsteuer für den familiären Ersterwerb einer Wohnimmobilie, für sozial geförderte Wohnungen und Erbpachtprojekte. Sobald der Bund eine entsprechende Öffnungsklausel im Steuerrecht beschließe, werde sie für diese Gruppen auf 3,5 Prozent gesenkt. Eine generelle Absenkung der zuletzt auf 5,5 Prozent angehobenen Grunderwerbsteuer lehnte der Finanzsenator ab, da mit dem Geld etwa die energetische Sanierung gefördert werde und das Geld dann an dieser Stelle fehlen würde.
Mit dem vergangenen Jahr zeigte sich Dressel finanziell aber durchaus zufrieden: „Mit einem Rekordabschluss bei Investitionen, Tilgung und bereinigtem Jahresergebnis kann Hamburg trotz schwieriger Rahmenbedingungen ein positives Fazit für das Haushalts- und Geschäftsjahr 2023 ziehen.“ Grund für den Geldsegen seien zwei Faktoren gewesen: zum einen Dividendenzahlungen der Reederei Hapag-Lloyd in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro sowie eine Anpassung beim Steuertrendverfahren. Von diesem Überschuss hätten fast 2,5 Milliarden Euro in die allgemeine Rücklage eingestellt werden können.
Gesamtinvestitionen in Höhe von mehr als fünf Milliarden Euro
Auch bei den Investitionen und der Tilgung von Krediten seien Rekorde aufgestellt worden. So habe die Stadt Hamburg ohne ihre städtischen Beteiligungen fast 1,9 Milliarden Euro investiert - nach knapp 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2022. Inklusive der Konzerntöchter seien sogar etwa 5,3 Milliarden Euro investiert worden, etwa in den Schul- und Wohnungsbau oder die Verkehrs-, Energie- und soziale Infrastruktur.
Neue Kredite seien in Höhe von 291 Millionen Euro aufgenommen worden. Erlaubt gewesen wären fast 2,7 Milliarden Euro. Gleichzeitig seien im vergangenen Jahr die Corona-Kredite in Höhe von rund 483 Millionen Euro vorzeitig vollständig getilgt worden. Insgesamt seien Schulden in Höhe von fast 2,5 Milliarden Euro zurückgezahlt worden - wodurch das Minus in der Kernverwaltung von rund 25,12 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 22,67 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gesunken sei.
Steuerzahlerbund erschrocken über hohe Armutsgefährdung
Der Hamburger Bund der Steuerzahler forderte einmal mehr die Ausgaben im Blick zu behalten. „Eine gute Möglichkeit zum Aufräumen und Sparen bieten aus unserer Sicht die mehr als 450 Beteiligungen der Stadt Hamburg“, sagte dessen Vorsitzender Sascha Mummenhoff. Wie die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft zeigte er sich erschrocken, dass laut Geschäftsbericht 18,8 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger armutsgefährdet sind. „Wer ernsthaft möchte, dass sich die Bürgerinnen und Bürger weiterhin das Leben in Hamburg leisten können, muss dies auch mit konkreten Maßnahmen unterstreichen.“ Der Linken-Haushaltsexperte David Stoop betonte: „Wir müssen endlich eine wirksame Strategie zur Armutsbekämpfung umsetzen und insbesondere in die soziale Infrastruktur investieren.“
Der CDU-Haushaltsexperte Thilo Kleibauer kritisierte, dass außerhalb der Kernverwaltung die Schulden in den Tochterorganisationen und Nebenhaushalten der Stadt weiter angestiegen seien. „Wichtige öffentliche Unternehmen wie Hochbahn, UKE oder Sprinkenhof präsentieren derzeit hohe Defizite, die zulasten der Steuerzahler gehen.“ Die AfD-Fraktion beklagte zu hohe Asylkosten und forderte die Abschaffung der Grund- und Grunderwerbsteuer.
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