Finanzchaos bei der CDU:Einnahmen und Ausgaben verwechselt

Der Landesrechnungshof kritisiert das Finanzgebaren der Mainzer CDU. Die Partei prüft rechtliche Schritte gegen ihren ehemaligen Spitzenkandidaten.

Marc Widmann

Ein bislang unveröffentlichter Bericht des Landesrechnungshofs von Rheinland-Pfalz stellt dem Finanzgebaren der dortigen CDU-Fraktion für die Jahre 2003 bis 2006 ein miserables Zeugnis aus. Unter dem damaligen Partei- und Fraktionschef Christoph Böhr müssen demnach abenteuerliche Zustände geherrscht haben.

Die Kritik der Prüfer umfasst eine ganze Reihe von Verstößen: "Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der CDU-Fraktion wies in vielen Bereichen Mängel auf", heißt es in dem Dokument, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Es kam im gesamten Prüfungszeitraum vielfach zu Falschbuchungen."

Bei der Bar-Kasse zum Beispiel "wurden elementarste Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassen- und Belegführung nicht erfüllt". Einnahmen und Ausgaben seien verwechselt, Beträge doppelt ausgezahlt worden. Mehrere Jahre habe es keine Kassenprüfungen gegeben.

Bei insgesamt 478.000 Euro fehlen Belege, dass das Geld wie vorgeschrieben für Fraktionszwecke ausgegeben wurde. CDU-Landeschef Christian Baldauf hat bereits angekündigt, er werde "reinen Tisch machen" und alles zurückzahlen. "Ich distanziere mich ausdrücklich von all diesen Dingen", sagte er.

Doch der 49-seitige Bericht der Prüfer gibt Anlass für weitere Fragen: Wieso kritisierte in der Fraktion niemand, dass die Buchhaltung ihren Namen nicht verdiente und große Summen ohne Belege flossen? Wieso schritt Parteichef Böhr nicht ein?

Zurückzahlen muss die klamme Fraktion vor allem gut 400.000 Euro für Böhrs Berater. Gleich vier verschiedene Firmen unterstützten den CDU-Mann. Sogar für Plenardebatten im Landtag ließ er sich offenbar trainieren. Schriftliche Verträge existieren nicht.

Zudem sind die Prüfer davon überzeugt, dass sich Böhr von der Fraktion ein Konzept "Wahlsieg 2006" mitbezahlen ließ. Dies könnte für die CDU noch teuer werden: Sollte tatsächlich Fraktionsgeld für den Wahlkampf geflossen sein, wäre das illegale Parteienfinanzierung und könnte für die CDU eine hohe Geldstrafe zur Folge haben.

Vor wenigen Tagen fragte Baldauf bei seinem Vorgänger an, ob dieser freiwillig einen Teil des Schadens begleichen wolle. Doch Böhrs Anwalt habe abgelehnt - mit der Begründung, dies könne man als Schuldeingeständnis werten. Nun prüft die CDU rechtliche Schritte gegen ihren einstigen Spitzenkandidaten.

Als Hauptschuldiger gilt in der Partei aber der frühere Fraktionsgeschäftsführer Markus Hebgen. Er wurde Ende März wegen Untreue zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt; unter anderem, weil er Besuche in Rotlichtbars mit der Kreditkarte der Fraktion bezahlt hatte.

Aus der Ära Hebgen und Böhr stotterte die Mainzer CDU-Fraktion bereits 300000 Euro Schulden und 50000 Euro offene Rechnungen ab. Seit Jahren muss sie sparen. Sie beschäftigt nur wenige Mitarbeiter, druckt keine Broschüren und organisiert kaum Veranstaltungen. Nun belasten sie wieder hohe Schulden - ein Jahr vor der Landtagswahl.

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