Finanzbranche:Fachwissen maßgeschneidert

Gefragt sind derzeit Experten für Vermögensnachfolge oder Compliance.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Seit Jahren schon steckt die Finanzbranche in einem tiefgreifenden Umbruch. Die Niedrigzinsphase setzt Traditionshäuser massiv unter Druck, neuartige Anbieter nutzen die Digitalisierung für effiziente Bankleistungen, und die strenge Regulierung, Folge der großen Finanzkrise, setzt die Kreditinstitute finanziell unter Druck. All das hat immense Auswirkungen auf die Mitarbeiter. Wer in diesem komplexen Umfeld am Ball bleiben will, muss Flexibilität beweisen und seine Kompetenzen und sein Wissen regelmäßig auf den neuesten Stand bringen. Hohe Relevanz bekommt das Thema für die Banken zudem durch die EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Finanzmärkte MiFID II, die mit Jahresbeginn in Deutschland umgesetzt wurde.

Regelmäßige Fortbildungen sind fortan verbindlich, wobei die Pflicht zur jährlichen Überprüfung des Fachwissens besteht. Das gilt nicht nur für Anlageberater, sondern auch für Vertriebsmitarbeiter und Mitarbeiter der Finanzportfolioverwaltung. Der jeweilige Arbeitgeber muss prüfen und dokumentieren, ob die Mitarbeiter über die gesetzlich vorgeschriebenen Kenntnisse für den jeweiligen Aufgabenbereich verfügen. "Die strengeren Anforderungen der Banken-Regulatorik steigern die Nachfrage am Weiterbildungsmarkt. "Der neuerdings erforderliche Sachkundenachweis in der Anlageberatung ist im Bereich der akademischen Ausbildungen nur bei einem Bachelorstudium speziell mit Bankenschwerpunkt bereits abgedeckt", sagt Klaus Beinke, Direktor Professional & Executive Education der Frankfurt School of Finance & Management. Auch die traditionelle Ausbildung zum Bankkaufmann inkludiert bereits den Nachweis.

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Illustration: Stefan Dimitrov

Das Spektrum an Weiterbildungsangeboten ist breit und reicht von zweitägigen kompakten Seminaren der Deutschen Börse zu Anlage-Produkten über mehrmonatige Module in bankeigenen Akademien bis hin zu berufsbegleitenden Studien bei Hochschulen und Branchenverbänden. Renommierte Ausbildungen für den Karriereweg im Finanzsektor sind die Zertifikate CFA (Chartered Financial Analyst) und CIIA (Certified International Investment Analyst) für Asset Manager, Investmentbanker und Finanzanalysten. Das CFA Institute, weltweit führender Berufsverband für professionelle Investoren mit Hauptsitz im US-Bundesstaat Virginia, bietet weltweit die CFA-Fortbildung zum Investment-Experten an. Sie dauert drei Jahre und gilt als eine der schwierigsten Ausbildungen der Finanzbranche. Voraussetzung sind vier Jahre Berufserfahrung. Wer diesen Weg wählt, braucht viel Selbstdisziplin. "Der CFA ist aufgrund des Schwerpunkts auf dem Selbststudium vergleichsweise günstig, allerdings auch zeitaufwendig. Das Programm ist viel umfangreicher als bei vergleichbaren Zertifikaten am Markt", betont Patrick Riske. Er ist Partner bei dem Personalberatungs-Unternehmen Fricke Finance & Legal mit Sitz in Frankfurt am Main, das auf die Bereiche Recht und Finanzen spezialisiert ist. Der Lernaufwand beträgt ungefähr 1000 Stunden, die Abbruchquoten sind bei allen drei Stufen mit circa 50 Prozent hoch. Partner für das CFA-Programm sind hierzulande die EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden, die Goethe Business School in Frankfurt am Main sowie die Universität Mannheim und die Frankfurt School of Finance & Management.

Praktisch ist, dass das Master-Studium Finance, sofern man es an einer der Partner-Hochschulen absolviert, bestimmte Lerninhalte, die man für das CFA-Zertifikat benötigt, bereits abdeckt. Weltweit gibt es bislang insgesamt 154 000 CFA-Absolventen. Die meisten Absolventen hierzulande arbeiten im Versicherungskonzern Allianz SE und bei der Deutschen Bank. International anerkannte Alternative zum US-Programm ist der CIIA (Chartered International Investment Analyst) der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA). Ein Teil des Lernstoffs wird bei Präsenzterminen oder in Online-Modulen vermittelt, der Lernaufwand liegt bei circa 700 Stunden. Eine vergleichbare Ausbildung für Fachleute im Bereich Vermögensberatung ist der zertifizierte Finanzplaner (CFP), welche die EBS Business School in Oestrich-Winkel sowie die Frankfurt School of Finance & Management anbieten.

Die großen Banken veranstalten Seminare im Haus, die externe Partner entwickelt haben

"Wir beobachten immer mehr Selbstzahler bei den offenen Weiterbildungsprogrammen. Die großen Banken, die in Mitarbeiterqualifizierung investieren, nutzen heute maßgeschneiderte Seminare im Haus", sagt Beinke. Diese lassen sich nach eigenen Qualitätsstandards und inhaltlich differenziert gestalten. "Heute bekommt nicht mehr jeder alles, sondern die Qualifizierung wird passgenau und zielgerichtet eingekauft. Die maßgeschneiderten Fortbildungen sind Qualitätssiegel nach außen und machen den Arbeitgeber für Mitarbeiter attraktiv", erläutert Beinke.

Investition in die Finanz-Karriere

Für Weiterbildungen müssen Finanzexperten teils tief in die Tasche greifen. Das Berufsdiplom CIIA, das in vier Studienvarianten angeboten wird, kostet mit Präsenztagen und Unterricht maximal 13 150 Euro plus Mehrwertsteuer. Bei der reinen Online-Variante mit Skripten kommt man auf 2800 Euro. Das im englischsprachigen Raum etablierte CFA-Programm, läuft hierzulande über die nationale Zweigstelle CFA Society Germany. Derzeit liegen die Kosten für das dreistufige Programm bei 3300 US-Dollar (2850 Euro) inklusive Unterrichtsmaterialien, Einschreibe- und Prüfungsgebühren. Für die beiden internationalen Zertifikate gibt es einen Frühbucherrabatt.

Beliebt sind Hochschul-Lehrgänge. Für den Lehrgang Certified Compliance Professional verlangt die Frankfurt School of Finance für 22 Präsenztage insgesamt 11 900 Euro. Der Erwerb des Zertifikats "Compliance Officer" an der Universität Augsburg kostet 6450 Euro. Christiane Kaiser-Neubauer

"Wir orientieren uns stark an der Nachfrage unserer Kunden und richten Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter auch an den Wünschen der Kunden aus. Aktuell verzeichnen wir einen sehr hohen Bedarf zum Thema Vermögensnachfolge," sagt Emanuele Buttà, Privatkundenvorstand der Hypo-Vereinsbank (HVB). Indem mehr Berater entsprechend qualifiziert würden, werde das Angebot im Bereich Vermögensnachfolge und der Finanzplanung weiter aufgestockt. In der Branche ist es üblich, diese Lehrgänge mit externen Partnern zu entwickeln. Die HVB arbeitet mit Einrichtungen wie der Deutschen Stiftungs-Akademie oder der Universität Jena zusammen. "Unsere Erfahrung zeigt zudem, dass Weiterbildung auch eine hohe Verbundenheit mit der Bank schafft. Ziel der Weiterbildung ist eine Zertifizierung; im Bereich der Vermögensnachfolgeplanung sind das der Certified Estate Planer und im Private Banking zertifizierte Stiftungsberater", führt Buttà aus.

Expertise in einem Gebiet oder doch ein MBA? Was sinnvoller ist, sollte man sich gut überlegen

In keinem anderen Bereich der Finanzwelt wird Personal derzeit so dringend gesucht wie in der Compliance, jenem Bereich, dessen Mitarbeiter die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und interner Vorschriften verantwortet. Um die gestiegenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, sind Fachkräfte nötig. Eine berufsbegleitende Ausbildung bietet etwa die Frankfurt School of Finance & Management mit dem Certified Compliance Professional (CCP). Im zweiten Semester des einjährigen Programms steht die Spezialisierung auf Kapitalmarkt-Compliance, Geldwäscheprävention oder Corporate Compliance zur Wahl. Kompakter und entsprechend günstiger ist das Angebot der Universität Augsburg, die Teilnehmern eines zehntägigen Seminars nach erfolgreicher Abschlussprüfung das Zertifikat als Compliance Officer ausstellt.

Ein MBA-Abschluss lohnt sich im Bankenbereich nur dann, wenn man eine Managementposition und wirtschaftswissenschaftliche Weiterbildung anstrebt. "Das Gros der Leute, die in der Finanzindustrie gebraucht werden, sind Fachspezialisten. Ein zusätzliches MBA-Studium ist für sie nur bedingt geeignet", gibt Riske zu bedenken. Vertiefendes Know-how in Gestalt von Weiterbildungen zum Certified Compliance Professional oder Financial Risk Manager (DVFA), die Spezialwissen vermitteln, seien womöglich sinnvoller.

Engagement und Investitionen in die Qualifikation steigern aber nicht per se den eigenen Marktwert. "Weiterbildungen sind nicht automatisch ein Karriereturbo. Jeder sollte sich gut überlegen, ob das, was er vorhat und an Zeit und Geld investiert, sich wirklich auszahlt", sagt Riske.

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