Finanzaufsicht:"Verdacht von massiven Interessenkonflikten"

In Berlin ist die Empörung über private Geschäfte von Finanzaufsehern mit Wirecard-Aktien groß. Finanzminister Scholz prüft eine Verschärfung der Regeln.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Finanzaufsicht Bafin und das Bundesfinanzministerium haben jahrelang dabei zugesehen, wie Mitarbeiter privat Geschäfte mit Aktien jener Unternehmen gemacht haben, die von ihnen selbst beaufsichtigt wurden. Wie das Finanzministerium bestätigte, haben Mitarbeiter der Bafin die Aktie des inzwischen insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard seit Anfang 2019 so oft privat gehandelt wie keine andere Aktie. Besonders häufig kauften und verkauften die Mitarbeiter der für die Marktaufsicht zuständigen Abteilung die Wirecard-Aktie. Diese Abteilung überwacht den Umgang mit vertraulichen Informationen von Marktteilnehmern. Das Bundesfinanzministerium veröffentlichte die Zahlen auf eine Anfrage hin, die der Grünen-Abgeordneten Danyal Bayaz gestellt hatte. Zuerst berichtete die FAZ darüber.

Der private Handel der Bafin-Aufseher mit Wirecard-Aktien, noch dazu in einer Zeit, in der sich Betrug und Niedergang des Konzerns deutlich abzeichneten, bringt die Behörde weiter unter Druck.

In Deutschland werden die Regeln für Mitarbeiter laxer gehandhabt als im übrigen Europa

"Hier liegt der Verdacht von massiven Interessenskonflikten auf der Hand, das geht möglicherweise hin bis zu Insiderhandel", sagte Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerorganisation Finanzwende. Schick, der lange als Finanzexperte die Grünen im Bundestag vertrat, fordert Konsequenzen: "Das sollte der Rechnungshof mitprüfen und gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft einschalten", sagt er. "Es ist schon ein massiver Missstand an sich, dass verantwortliche Mitarbeitende der Finanzaufsicht überhaupt mit Wirecard-Aktien handeln konnten."

In Deutschland werden die Regeln für Mitarbeiter deutlich laxer gehandhabt als im übrigen Europa. In der europäischen Wertpapier- und Finanzaufsicht ESMA, zu deren Netzwerk die deutsche Aufsicht Bafin gehört, ist es allen Beschäftigten verboten, mit Finanzinstrumenten solcher Marktteilnehmer privat zu handeln, die von ihnen beaufsichtigt werden. Das gilt auch in internationalen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds.

Die Bafin bezeichnete die privaten Wirecard-Geschäfte als regelkonform. Man überprüfe alle Transaktionen mit Wirecard-Bezug, bisher seien keine Verstöße festgestellt worden, sagte ein Sprecher. Präsident Felix Hufeld schloss trotz der Kritik seinen Rücktritt weiterhin aus. "Ich diene meinem Land und Europa", sagte er. Solange ihm dieses Vertrauen entgegengebracht werde, "und das wird mir auch sehr deutlich entgegengebracht, werde ich meine Pflichten weiter erfüllen".

Für Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sind die Vorwürfe heikel. Er will sich die Regeln nun genauer anschauen. "Wir prüfen die geltenden Vorschriften und auch, inwieweit sie anzupassen sind", sagte seine Sprecherin. Scholz werde auch die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses "nach Kräften unterstützen". Der Ausschuss soll den Betrug des Dienstleisters Wirecard aufarbeiten. Das Unternehmen musste nach Luftbuchungen von fast zwei Milliarden Euro Insolvenz anmelden. Tausende Anleger sind geschädigt.

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