Festnahmen bei griechischer Neonazi-Partei:Mit Hitlergruß zum Haftantritt

Festnahmen bei griechischer Neonazi-Partei: Christos Pappas von der "Goldenen Morgenröte" wird in Athen abgeführt.

Christos Pappas von der "Goldenen Morgenröte" wird in Athen abgeführt.

(Foto: AFP)

Griechenlands Justiz greift hart gegen die Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte" durch, Beamte haben die gesamte Führungsspitze verhaftet. In Athen rechnet niemand damit, dass die Abgeordneten schnell wieder auf freien Fuß gesetzt werden - zu schwer sind die Vorwürfe.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Am Sonntagmittag ergab sich auch die Nummer zwei der griechischen Neonazi- Partei. Der zuletzt flüchtige Christos Pappas, Parlamentsabgeordneter und Vizechef der Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), kam mit dem Taxi zum Polizeipräsidium in Athen. Er hob die Hand zum Hitler-Gruß und rief: "Sie werden uns nicht brechen, lange lebe Chrysi Avgi."

Vor Pappas war am Samstag im Morgengrauen bereits der Rest der Führungsspitze der Partei überraschend verhaftet worden, darunter ihr Gründer und Chef, Nikos Michaloliakos, sowie fünf weitere Abgeordnete. Erstmals seit dem Ende der Militärjunta in Griechenland im Jahr 1974 wurde damit gegen einen amtierenden Parteichef ein Haftbefehl ausgestellt. Auch ein gutes Dutzend Funktionäre und rund 30 Mitglieder wurden festgenommen.

In Handschellen wurde Michaloliakos dann Stunden später - zur besten Abendnachrichtenzeit des Fernsehens -, begleitet von einem Dutzend Polizisten mit Gesichtsmasken, zum zentralen Gerichtskomplex Athens gebracht. Der 56-Jährige und die übrigen Abgeordneten bekamen bis Dienstag Zeit, ihre Verteidigung vorzubereiten. Danach wird ein Untersuchungsrichter über das weitere Vorgehen entscheiden. In Athen wird nicht damit gerechnet, dass die Parlamentarier rasch wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Zu schwer sind die Vorwürfe der Ermittler.

Totschlag, Erpressung, Geldwäsche

Dazu gehören nach Informationen der Zeitung Kathimerini: Bildung einer verbrecherischen Organisation, Totschlag, versuchter Mord, schwere Körperverletzung, Erpressung, Geldwäsche. Die Vorwürfe stützen sich auf Aussagen von mehreren Aussteigern und aktiven Mitgliedern, aber auch von Opfern von Körperverletzungen.

Schon seit Wochen wurden zudem Parteifunktionäre abgehört. Dabei stieß man auch auf korrupte Polizisten, die Mitglieder der Chrysi Avgi deckten oder mit ihnen gemeinsame Sache machten, beispielsweise bei der Erpressung von Ausländern.

Die Justiz nutzte eine Besonderheit des griechischen Rechts. Die erlaubt es bei Gefahr im Verzug, Abgeordnete ohne Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität festzunehmen. Die Anklage muss dann aber vom Parlament mit Mehrheit gebilligt werden. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung bleiben die sechs Politiker auch Mitglieder des Parlaments. Letzteres könnte nach der üblichen Prozessdauer in Griechenland Jahre dauern.

Parteianhänger protestieren

Ein Parteiverbot ist nach der griechischen Verfassung nicht möglich. Die Justiz beruft sich aber nun auf das Strafgesetzbuch. Sie will Chrysi Avgi als "verbrecherische Organisation" belangen. Die ermittelnde Staatsanwältin gilt als Expertin für politische kriminelle Organisationen. Sie hat vor zehn Jahren erfolgreich gegen die inzwischen zerschlagene linksradikale Terrorgruppe "17. November", die RAF Griechenlands, ermittelt.

Etwa 300 Anhänger von Chrysi Avgi protestierten vor der Polizeidirektion und skandierten "Blut und Ehre". In einer SMS an Mitglieder kündigte die Partei an, sie werde den Kampf gegen das "korrupte System" fortsetzen. "Es lebe Griechenland, uns macht nichts Angst", schrie Ilias Kassidiaris, Pressesprecher und Abgeordneter, bei seiner Verhaftung. Kassidiaris war immer wieder durch rüde Auftritte im Parlament und in TV-Studios aufgefallen. Er war von seiner Partei bereits als Bürgermeisterkandidat für Athen ausersehen. Die Nea Dimokratia von Premier Antonis Samaras war nach Informationen der Süddeutschen Zeitung zuletzt durch bislang unveröffentlichte Umfragen aufgeschreckt worden, wonach Kassidiaris bei der Kommunalwahl 2014 auf über 30 Prozent der Stimmen kommen könnte.

Mordfall an Rapper beschleunigte die Ermittlungen

Mit sieben Prozent eroberte Chrysi Avgi 2012 im Juni erstmals 18 von 300 Parlamentssitzen. Erst seit dem Mord an dem Hip-Hop-Sänger Pavlos Fyssas vor gut einer Woche gehen die Sympathien für die Neonazis wieder zurück. Der geständige Täter hat sich zu Chrysi Avgi bekannt. Der Mordfall hat offenbar die Ermittlungen gegen die Partei beschleunigt. Zudem gab es vielfältigen Druck auf die Regierung, die Neonazis nicht länger gewähren zu lassen. Samaras besucht am Montag Washington, wo er auch auf einer Veranstaltung des Jüdischen Weltkongresses erwartet wird. Danach steht eine Israel-Reise an. Funktionäre der Chrysi Avgi leugneten immer wieder den Holocaust.

Vor Beginn der griechischen Krise im Jahr 2009 dümpelte Chrysi Avgi noch unter einem Prozent dahin. Je tiefer die Krise wurde, desto mehr gewann die Partei dazu. Sie fiel auf mit Hetzreden, nächtlichen Fackelmärschen, Essensausgaben "nur für Griechen" und Jagden auf dunkelhäutige Ausländer. Michaloliakos, der sich von seinen Anhängern "Führer" nennen lässt, saß in den Siebzigerjahren bereits wegen Gewaltdelikten im Gefängnis, was ihn um eine Laufbahn bei den Streitkräften brachte.

Justizminister Charalambos Athanasiou versprach einen "gerechten Prozess". Innenminister Nikos Dendias nannte es einen "historischen Tag". Samaras sagte, Griechenland brauche "Gerechtigkeit, Stabilität, keine Neuwahlen". Die mitregierenden Pasok-Sozialisten bestehen darauf, dass das Land nun das lange aufgeschobene Antirassismus-Gesetz bekommt. Das Parlament soll zudem ein Gesetz verabschieden, das Parteien mit kriminellem Hintergrund die staatliche Unterstützung entzieht. Die linke Oppositionspartei Syriza kritisierte, dass Justiz und Regierung zu lange gewartet hätten. EU-Kommissarin Maria Damanaki sagte, Griechenlands Justiz erfülle "ihre Rolle".

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