Festnahme in Oberursel:Bombenfund bei Terrorverdächtigen - Frankfurter Radrennen abgesagt

Terrorverdacht in Oberursel

Terrorverdacht in Oberursel: Nach der Festnahme eines verdächtigen Ehepaars prüft die Polizei, ob das Radrennen um Frankfurt am 1. Mai stattfinden kann.

(Foto: dpa)
  • Bei einem Großeinsatz nimmt die hessische Polizei ein Ehepaar in Oberursel fest. Der Mann soll Verbindungen in die salafistische Szene haben.
  • Im Haus des Paares finden die Beamten eine funktionsfähige Rohrbombe und andere verdächtige Gegenstände.
  • Das für Freitag geplante internationale Radrennen Eschborn-Frankfurt wird vom Landeskriminalamt abgesagt.
  • Der Verdächtige hatte sich in den vergangenen Tagen auffällig benommen - und einen Teil der Strecke des Radrennens inspiziert.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Es ist der aufmerksamen Mitarbeiterin eines Frankfurter Baumarkts zu verdanken, dass die Menschen im Rhein-Main-Gebiet vor einem womöglich katastrophalen Anschlag verschont blieben. Die Frau meldete sich am 30. März bei der hessischen Polizei und berichtete, dass ein Ehepaar gerade drei Liter Wasserstoffperoxid erstanden hätte.

In Miniportionen ist dieser Stoff ungefährlich - man kann damit Algenbeläge in Schwimmbecken und Teichen entfernen oder Stoffe bleichen. In größeren Mengen kann er zur Sprengstoffherstellung dienen. Und wer gleich drei Liter kauft, hat offenkundig Übles im Sinn - etwa einen Anschlag auf das internationale Radrennen Eschborn-Frankfurt. Das Landeskriminalamt in Wiesbaden sagte die für Freitag geplante Veranstaltung aus Sicherheitsgründen kurzfristig ab.

Die Ermittler stellten nach dem Hinweis der Baumarkt-Mitarbeiterin sofort fest, dass es sich um einen verdächtigen Kauf handelte. Denn das Ehepaar hatte einen falschen Namen angegeben. Mitte April machte die Polizei die Käufer aus, einen 35 Jahre alten Mann aus Oberursel mitsamt Ehefrau. Die beiden wurden fortan observiert.

Festnahme kurz vor Mitternacht

Der Mann ist polizeibekannt: 15 Mal wurde er nach Darstellung der Sicherheitsbehörden auffällig, wegen des Vorwurfs der Körperverletzung, der Bedrohung, des Einbruchs und Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er ist Deutsch-Türke, soll derzeit keiner Arbeit nachgehen und hat, wie die Polizei am späten Nachmittag in Wiesbaden publik machte, Verbindungen in die islamistisch-salafistische Frankfurter Szene.

In den letzten Tagen soll sich der Verdächtige auffällig benommen haben. Er wanderte einen Teil der Strecke ab, auf der am 1. Mai das große Radrennen rund um Frankfurt stattfindet, früher bekannt als 'Rennen um den Henningerturm'. Polizei und Staatsanwaltschaft entschlossen sich zum Zugriff.

Eine Spezialeinheit nahm den Mann am späten Mittwochabend, kurz vor Mitternacht, außerhalb seiner Wohnung fest. Am frühen Donnerstagmorgen stürmte ein Sondereinsatzkommando die Wohnung des Ehepaars und nahm auch die Frau fest.

Die Durchsuchung förderte weit mehr als das dringend gesuchte Wasserstoffperoxid zu Tage. Die Fahnder entdeckten nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft eine funktionsfähige Rohrbombe, Teile eines Sturmgewehres, ein Übungsgeschoss für eine Panzerfaust, 100 Schuss scharfe Munition, andere Chemikalien und einen größeren Geldbetrag.

Diese Fragen sind noch offen

Sichergestellt wurden auch religiöse Texte, die nach Auskunft von Experten der Sicherheitsbehörden auf eine zumindest konservative islamische Orientierung hindeuten. Die beiden kleinen Kinder des Ehepaares wurden dem Jugendamt übergeben. Sie hätten die Razzia körperlich unbeschadet überstanden, hieß es.

Das Paar sollte noch am Donnerstag dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, es galt als sicher, dass sie in Untersuchungshaft kommen. Polizei, Staatsanwaltschaft und auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sind sich sicher, dass mit der Razzia ein Terroranschlag verhindert werden konnte. Viele Fragen, darunter einige recht besorgniserregende, sind allerdings offen.

Womöglich Kontakt zur Sauerland-Gruppe

Handelt es sich um Einzeltäter oder sind die beiden womöglich Teil einer radikalen Zelle? Ist mit der Festnahme die Gefahr von Anschlägen vorerst gebannt? Zumindest das Gebiet um Oberursel herum, in dem der Mann aus bislang unbekannten Gründen in den vergangenen Wochen durch die Gegend spazierte, wurde von zwei Hundertschaften der Polizei abgesucht. Verdächtige Gegenstände sollen dabei nicht gefunden worden sein.

Trotzdem wurde das für Freitag geplante internationale Radrennen um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt am Abend abgesagt. Hinweise auf eine eventuelle Gefährdung der Bevölkerung hätten diesen drastischen Schritt notwendig gemacht, teilte das hessische Landeskriminalamt (LKA) in Wiesbaden mit.

Ein geplantes mögliches Anschlagsziel sei derzeit nicht bekannt, allerdings habe es "deutliche Überschneidungen von Streckenverlauf des Radrennens und Bewegungsprofil der festgenommen Personen" gegeben, hieß es in der Mitteilung. Auch die Ermittlungen nach möglichen Mittätern seien noch nicht abgeschlossen. Angesichts der vielen offenen Fragen gehe die Sicherheit unbedingt vor.

Womöglich hatte der Verdächtige auch Kontakt zu den vier jungen Männern der sogenannten Sauerland-Gruppe, die im September 2007 festgenommen worden waren, weil sie einen Sprengstoffanschlag geplant hatten und dabei ebenfalls Wasserstoffperoxid einsetzen wollten. 2010 war das Quartett wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags und Verabredung zum Mord zu jeweils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

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