Eskalation in der Ukraine:Vorgeführt in einem unwürdigen Schauspiel

Festgesetzte OSZE-Beobachter vorgeführt

Der selbsternannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow (rechts), präsentiert sich mit seinen Gefangenen. Neben dem Dolmetscher (im roten Pulli) sitzt Bundeswehr-Oberst Axel Schneider.

(Foto: dpa)

Die prorussischen Separatisten lassen die gefangen genommenen Militärbeobachter bei einer Pressekonferenz im ostukrainischen Slawjansk auftreten. Sie scheinen in guter Verfassung, doch vieles bleibt unklar bei diesem Auftritt. Die Regierung in Kiew muss machtlos zusehen.

Von Nico Fried

Der Oberst ist um Haltung bemüht. Das ist nicht zu übersehen auf den Fernsehbildern von der Pressekonferenz in Slawjansk, die am Sonntagnachmittag via Internet um die Welt gehen. Axel Schneider ist der deutsche Leiter der Inspektorengruppe, die am Freitag in der Ostukraine verschleppt wurde. Er wirkt angespannt und bedrückt, aber auch konzentriert. Nach zehn Minuten sagt er den Satz, der für die Angehörigen wohl der wichtigste ist: "Alle europäischen Offiziere und der Übersetzer sind bei guter Gesundheit."

Die Gruppe besteht aus drei deutschen Offizieren, einem Übersetzer, vier weiteren Offizieren aus Polen, Schweden, Tschechien und Dänemark. Die acht Männer sitzen auf einem holzvertäfelten Podium in einem Saal des Rathauses von Slawjansk. Die fünf ukrainischen Offiziere, die ebenfalls unter den Verschleppten waren, sind nicht dabei. Etwa 60 Journalisten hätten an der Pressekonferenz teilgenommen, berichtet später die Nachrichtenagentur AFP.

Am Abend wird der Schwede freigelassen, aus medizinischen Gründen.

Für die anderen sei dies nicht geplant, heißt es. Oberst Schneider trägt ein kariertes Hemd und einen hellen Bart. Er sitzt aufrecht, richtet den Blick gefasst auf die Journalisten. Er wechselt zunächst zwischen den Sprachen. "I am from Deutschland", sagt er am Anfang. Später bleibt er bei Englisch, nur zwischendurch spricht er auf die ausdrückliche Bitte eines Reporters hin wieder Deutsch, achtet aber darauf, dass alles ins Russische übersetzt wird. Der selbsternannte Bürgermeister von Slawjansk, der prorussische Milizenführer Wjatscheslaw Ponomarjow ist bei der Veranstaltung dabei. Man hat den Eindruck, dass Oberst Schneider in Anwesenheit Ponomarjows keinen Fehler machen möchte, der ihn oder die Geiseln in Gefahr bringen könnte.

Nur eine vorsichtige Warnung an den "Bürgermeister"

Am Freitag waren die Inspektoren verschleppt worden. Der deutsche Oberst formuliert langsam, als er die Version der Geschichte erzählt, die auf dieser Pressekonferenz offenbar erwünscht ist: "Wir kamen hierher als OSZE-Beobachter mit diplomatischer Mission", sagt er. Der Bürgermeister habe der Gruppe "Schutz gewährt und betrachtet uns als Gäste". Nach Angaben des Obersts wurden sie erst in einen Kellerraum gebracht. "Dort mussten wir uns zunächst selbst einrichten." Am Samstag seien sie dann in einen "komfortablen Raum" gebracht worden. "Wir haben Tageslicht und eine Klimaanlage."

Das Wort des Bürgermeisters sei "ein Wort der Ehre", so der Oberst. Die Männer seien im Rahmen der Möglichkeiten behandelt worden. Er sagt nicht "gut behandelt", aber es wirkt wie ein Versehen. Sie seien nicht angefasst, nicht körperlich misshandelt worden. Dann fügt er einen Satz hinzu, der wie eine vorsichtige Mahnung an Ponomarjow klingt: "Wir schätzen die Situation so ein, dass das Wort des Bürgermeisters so lange gilt, wie wir hier sind, und den Offizieren kein Schaden widerfährt."

Kriegsgefangene oder Gäste?

Vieles bleibt unklar bei diesem Auftritt, an erster Stelle natürlich, wie offen sich Schneider überhaupt äußern darf. So soll Ponomarjow selbst zuvor die Offiziere als Kriegsgefangene bezeichnet haben, die nur im Austausch gegen pro-russische Aktivisten freikommen würden. Als der Oberst danach gefragt wird, wiederholt er seine Aussage: "Wir sind keine Kriegsgefangenen, wir sind Gäste des Bürgermeisters und werden als solche behandelt." Unklar bleibt auch der Verbleib und das Befinden der ukrainischen Offiziere. Der Oberst sagt lediglich, sie seien genau so behandelt worden wie die anderen Offiziere.

Noch für den Sonntagnachmittag wurde eine Delegation der OSZE in Slawjansk erwartet, die über die Freilassung der Geiseln verhandeln sollte. Die Verschleppten sind keine Mitarbeiter der OSZE. Das hatte die Organisation selbst bereits am Freitag mitgeteilt. Und es hat die Situation der Geiseln nicht einfacher gemacht, weil es den prorussischen Separatisten den Vorwand lieferte, die Geiseln seien Spione. Der Oberst und seine Kollegen, ausgestattet mit Diplomatenpässen, sind formal Militärbeobachter, die auf der Grundlage des "Wiener Dokuments" in der Ukraine unterwegs sind. Das Dokument, erstmals abgeschlossen 1990 und zuletzt 2011 aktualisiert, ist ein Vertrag der OSZE-Staaten, der Informationsaustausch über militärische Fragen und vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Mitgliedsstaaten regelt. An diese Vorgaben habe sich die Gruppe gehalten, betont Oberst Schneider.

Verantwortlich für die Sicherheit ist das Gastland - also die Ukraine

Anders als bei den offiziellen und zivilen OSZE-Beobachtern in der Ukraine, deren Entsendung der Zustimmung aller Mitgliedsstaaten, also auch Russlands, bedurfte, besuchen die militärischen Inspektionsteams einzelne Mitgliedsstaaten auf deren Einladung hin, um die Angaben zu Waffensystemen oder Manövern zu überprüfen. Genau genommen befasst sich das Inspektionsteam also nur mit dem ukrainischen Militär, seinen Stellungen und Waffen. Allerdings war es kein Zufall, dass das Inspektorenteam mit Beginn der Krise in die Ukraine eingeladen wurde und seinen Arbeitsschwerpunkt nun in den Osten verlegt hat.

Verantwortlich für die Sicherheit der Gäste ist das Gastland. Die Militärbeobachter sind unbewaffnet. Auch die fünf ukrainischen Offiziere, die mit dem Inspektorenteam verschleppt wurden, dürften eigentlich nicht bewaffnet gewesen sein. Warum zumindest nach Angaben der Entführer in dem Bus des Inspektorenteams dennoch Munition und Sprengsätze gefunden wurden, ist bislang noch ungeklärt. Möglicherweise gehörte das Material aber den beiden ukrainischen Polizisten, die das Team ebenfalls begleiteten und die noch am Freitag wieder freigelassen worden waren.

Wann und unter welchen Bedingungen er und seine Kollegen freikommen könnten, darüber will der Oberst in der Pressekonferenz von Slawjansk zunächst nicht spekulieren. Er habe dazu keine Hinweise. "Wir verlassen uns auf unsere Regierungen, die eng mit dem Bürgermeister kooperieren sollten." Später fügt er hinzu, dass die Festnahme der Offiziere den prorussischen Milizen als "politisches Instrument" bei den Verhandlungen dienen werde. "Das ist keine Überraschung", sagt der Oberst. Und es klingt geradezu lakonisch, als er hinzufügt: "Ich kann nicht einfach nach Hause gehen."

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