Festgenommener Islamist:Gottes Rädchen beim Verfassungsschutz

Bundesamt für Verfassungsschutz

"Alles Allahs Wille. Er wollte es so": Der als Islamist verdächtigte Verfassungsschutz-Mitarbeiter war in der Zentrale des Dienstes in Köln beschäftigt.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Wie es aussieht, war der Ruf des beim Verfassungsschutz festgenommenen Islamisten tadellos.
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.
  • Das BfV gibt sich stolz, den Abtrünnigen gefunden zu haben.

Von Hans Leyendecker, Georg Mascolo und Nicolas Richter

Beim Bewerbungsgespräch im Frühjahr 2016 läuft es bestens zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und seinem künftigen Mitarbeiter R. M. Der gebürtige Spanier und eingebürgerte Deutsche hat sich beim deutschen Inlandsgeheimdienst um eine Stelle als "Mitarbeiter für Observation" beworben. Er möchte sein Geld damit verdienen, dass er andere Leute beobachtet, besonders Extremisten. Alles an ihm wirkt seriös: Er ist Anfang 50, vier Kinder, verheiratet mit einer Ärztin, gelernter Bankkaufmann, früher zuständig für Marketing bei einer Volksbank. Er sagt, wegen einer Umstrukturierung in seiner Firma suche er "neue Herausforderungen".

Allem Anschein nach also ist M. seriös, aber beim Verfassungsschutz beginnt das Bewerbungsverfahren da erst richtig. So verlangt es das "Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes" (SÜG). Der Bewerber M. muss ein Verfahren der Stufe Drei (Ü3) über sich ergehen lassen, das strengste im öffentlichen Dienst, aber für Mitarbeiter des BfV ist das normal. M. muss "Referenzpersonen" nennen, die über ihn Auskunft geben können, er muss seine Verwandten aufzählen, er muss seinen Lebenslauf aufschreiben und sich dazu befragen lassen. Hätte er etwa in China gearbeitet, würde er gefragt, mit wem er sich getroffen hat und was er da gemacht hat. So will das BfV ausschließen, dass der Bewerber bereits von einem gegnerischen Nachrichtendienst angeworben wurde. Und es wird auch immer nach "Kompromaten" gesucht, ob M. also wegen seines Lebenswandels erpressbar sein könnte.

Offenbar hat er irgendwann seinen christlichen Glauben hinter sich gelassen

Wie es aussieht, ist der Ruf des M. tadellos, und er wird eingesetzt, um die Islamistenszene zu beobachten. Nur eines entgeht den Agenten, und zwar die vermutlich zentrale Wende im Leben von M.: Offenbar hat er irgendwann seinen christlichen Glauben hinter sich gelassen und ist zum Islam konvertiert. Als er dann von April 2016 an beim Verfassungsschutz arbeitet, sieht er sich jedenfalls nicht als Staatsdiener, sondern als Diener islamistischer Extremisten. Und er prahlt sogar damit. Einmal, so wirft es ihm jetzt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf vor, offenbart er sich einem Chatpartner im Internet als Verfassungsschützer und erzählt von einzelnen Einsätzen, wo sie stattfinden und warum. M. schlägt sogar vor, Gleichgesinnten Zugang zum BfV zu gewähren, um eine Gewalttat gegen "Ungläubige" zu ermöglichen. Dies sei "sicher im Sinne Allahs". Er., M., sei "zu allem bereit, um den Brüdern zu helfen". Mitte November dann nimmt die Polizei M. fest, jetzt sitzt er wegen Fluchtgefahr in Haft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, der versuchten Verletzung von Dienstgeheimnissen und der erklärten Bereitschaft, ein Verbrechen zu begehen.

Der Plan des falschen Staatsschützers R. M. ist aufgeflogen, weil er sich bei seinem Chat mit jemandem unterhalten hat, der ebenfalls für den Verfassungsschutz arbeitet. Aber es bleibt nun die Frage, ob dies nur ein Einzelfall ist oder ob Islamisten einen größeren Plan entwickelt haben, den Verfassungsschutz zu unterwandern. Glaubt man M., dann gibt es einen solchen Plan. Nach seiner Festnahme am 16. November wird er durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf und das Polizeipräsidium Mönchengladbach vernommen.

"Alles Allahs Wille. Er wollte es so."

M. bestätigt, dass er Konvertit sei: "Ja, ich bin konvertiert, telefonisch, das war eine Eingebung, das war ein Traum." Er habe seinen Glauben fernmündlich gewechselt, gegenüber einem Mohammed aus Österreich, irgendwann wolle er nach Syrien reisen. Auf die Frage, was ihn dazu gebracht habe, Interna aus dem BfV an Islamisten verraten zu wollen, antwortet er: "Alles Allahs Wille. Er wollte es so." Die Vernehmer fragen, ob er Eingebungen habe. Nein, entgegnet M., er sei nicht verrückt. Er habe seinen "Brüdern" helfen wollen. Es gebe einen großen Plan, das Bundesamt für Verfassungsschutz zu "infiltrieren". Als die Vernehmer fragen, ob M. Teil eines "Räderwerks" sei, antwortet der: "Ja, das bin ich." Ein Vernehmer hakt nach: "Wer hat sich diesen Plan ausgedacht?" M.: "Allah. Ihr habt mich jetzt, aber der Plan geht weiter."

Stimmt das, oder ist M. bloß ein Wichtigtuer? Womöglich sogar, wie es die Vernehmer andeuten, ein Spinner? Seine Kontakte zu hochrangigen Terroristen jedenfalls scheinen nicht so eng zu sein, wie er es andeutet. Als er den Vernehmern erzählt, er habe mit "Mohammed" telefoniert, um zu konvertieren, fragen sie ihn, ob es sich da um Mohammed Machmoud handelt, einen bekannten Islamisten, der sich in Syrien aufhalten soll. Der Verdächtige antwortet, er kenne diesen Nachnamen nicht, und er wolle dazu keine weiteren Angaben machen. Auf Nachfrage zu Machmoud sagt er, dass er niemanden verrate, auch keinen Toten. Dabei, so notiert es ein Ermittler, sollen M. Tränen in die Augen gestiegen sein. Da Mahmoud angeblich ums Leben gekommen ist, gilt das als Hinweis, dass er mit Machmoud in Verbindung stand. Ein Beweis ist das freilich nicht. In seinem Handyspeicher wurde nichts gefunden.

Das Strafverfahren bleibt bei der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf

Unklar ist auch, wie gläubig M. wirklich ist. Er hat Frauen, etwa eine Ermittlerin und eine Richterin, offenbar ignoriert, was als Hinweis darauf gilt, dass er Salafist sein könnte, also einer besonders strengen Lesart des Islam folgt. Andererseits wurde sein Chatname auf Webseiten mit Gay-Pornos verwendet, was mit einer strengen Auslegung des Islam nicht vereinbar ist.

Wenn die Staatsschützer davon ausgingen, dass M. mit gefährlichen Verschwörern vernetzt ist, dann hätte der Generalbundesanwalt in Karlsruhe die Ermittlungen an sich gezogen. Die Bundesanwälte haben die Akten zwar gesichtet, doch war ihnen die Beweislage zu dünn. Das Strafverfahren bleibt bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf; diese erklärt aber, der Fall könne doch nach Karlsruhe wandern, wenn sich neue Beweise auf den Datenträgern finden sollten, die bei M. sichergestellt wurden.

Das BfV zeigt sich stolz, den Islamisten gefunden zu haben; offensichtlich sind die Verfassungsschützer der Ansicht, sie hätten nichts falsch gemacht. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen hat sich die Personalakte von M. selbst angesehen und keinen Fehler entdecken können. Aber liegt nicht ein Fehler im System, wenn sich ein Geheimdienst so bloßstellen lässt?

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