Fest zu 60 Jahren BRD:Gewünscht unpolitisch

Berlin feiert 60 Jahre Bundesrepublik. Die meisten Bürger wissen nicht, dass am Republikgeburtstag auch der Bundespräsident gewählt wird und feiern entweder das Wetter oder den Fußball.

F. von Kempis

"Toooor" ruft Pascal und rennt los, um sich seinen Anstecker abzuholen. Am Stand vom Olympischen Sportbund auf dem Bürgerfest in Berlin kann man im Soccercourt Bälle schießen. Pascal wollte, denn Fußball ist seine große Leidenschaft. Sein wichtigstes Ereignis des Tages? Die Fußballmeisterschaft.

Fest zu 60 Jahren BRD: Besucher im bayerischen Trachtenanzug beim Bürgerfest zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik in der Nähe des Brandenburger Tores in Berlin.

Besucher im bayerischen Trachtenanzug beim Bürgerfest zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik in der Nähe des Brandenburger Tores in Berlin.

(Foto: Foto: dpa)

Mutter Sandra lächelt und belehrt ihren Sohn, dass doch heute Deutschland 60 Jahre alt würde. Genauer gesagt, die Bundesrepublik. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verabschiedet, der Tag gilt als die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland. Und dieser Tag wird heute mit einem großen Bürgerfest gefeiert.

Thomas Steg, stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, wies Anfang dieser Woche darauf hin, dass sich die Politik an diesem Fest bewusst zurüchalten solle. Jeder Bürger solle sich nach seinen Wünschen informieren und ein offenes Angebot gestellt bekommen.

Das Angebot ist da - die Straße des 17. Juni ist mit über 80 Informationsständen gesäumt, am Brandenburger Tor sind zwei große Bühnen aufgebaut. Alle Ministerien, alle Bundesländer sind vertreten, ein bisschen politisch ist es also schon. Aber schließlich kann sich der Bürger ja selbst aussuchen, was er davon wahrnimmt.

Auch der Deutsche Bundestag fehlt an diesem Tag nicht - in einem der größten Zelte können sich die Besucher im "Kommunikationsforum" über die Aufgaben und Arbeitsweisen des Bundestages informieren.

Besonders belebt geht es allerdings an den Informationsständen vor dem Zelt zu. "Lisa, jetzt komm endlich", ruft eine Mutter und zieht ihre Tochter zu einem der Stände. "Hier gibt's was umsonst, du kriegst auch den Stift." Lisa strahlt und packt die dunkelblaue Tüte sofort aus - das beigelegte Grundgesetz legt die Mutter wieder zurück auf den Tisch.

Gegenüber liegt der Stand vom Freistaat Bayern - inklusive Bierzelt. Da gibt's Bier, es wird geschmaust und im Hintergrund spielt die Blasmusi. "Das ist doch das allerschönste", meint eine blondgelockte Dame und stößt mit ihrem Ehemann an. Der politischen Hintergrund des Festes sei ihr nicht so wichtig, sagt sie. Hauptsache man habe Spaß und könne bei schönem Wetter feiern.

"Um Politik geht es mir heute wirklich nicht"

"Weil es was zu feiern gibt", meint ein Mann in Kapuzenpulli und Turnschuhen auf die Nachfrage, warum er denn heute hergekommen sei. Was es denn zu feiern gäbe? Das wüsste er nicht so genau, aber Hauptsache, es gäbe irgendwo Freibier, dann käme für das spätere Meisterspiel schon mal die richtige Stimmung auf.

Fest zu 60 Jahren BRD: Das festliche Konzert unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim war ein Highlight des Bürgerfests.

Das festliche Konzert unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim war ein Highlight des Bürgerfests.

(Foto: Foto: ddp)

"Da fehlt noch die richtige Feierstimmung"

Nicht alle sind da so genügsam. "Das ist doch heute ein Geburtstag, da fehlt noch die richtige Feierstimmung", beschwert sich ein Mann, der es sich auf einer Bierbank neben dem Zelt vom Ministerium für Verteidigung gemütlich gemacht hat. An so einem Tag müsse Musik gespielt und nicht so viel geredet werden, meint er und zeigt als Beweis auf eine große Leinwand. Da wird gerade die Moderatorin Sandra Maischberger im Gespräch mit Alkanzler Gerhard Schröder gezeigt.

An der Tiergartenbühne, am anderen Ende der Festmeile, stehen Bier und schönes Wetter hoch im Kurs. "Jetz wern erstma ein paar Bier gelötet", sagt ein Mann mit Pferdeschwanz und Motorradjacke. Er und seine Frau sind vollbepackt, sie trägt zwei Give-away-Tüten vom Bundeswehr-Stand, er hat die Hände voller Äpfel, die gab's am Saarland-Stand.

Neben dem Saarland-Stand kann sich der durstige Bürger auch gleich bedienen - eine Bude bietet seit 10 Uhr morgens vom Mojito bis zum Sex on the Beach alle möglichen Cocktails an. An den Rundtischen davor drängeln sich die Menschen und stoßen an.

"Um Politik geht es mir heute wirklich nicht", erklärt eine Frau mit kurzen weißen Haaren, die sich hier mit drei Freundinnen auf einen Caipirinha verabredet hat. "Aber heute ist doch eh irgend so eine Wahl", wirft die eine davon ein. Ein Mann vom Nachbartisch, in einem grün-rot kariertem Hemd, mischt sich ein: " Das kann gar nicht sein, Europawahl ist doch erst im Juni."

Stimmt, Europawahl ist in zwei Wochen, heute wird der Bundespräsident gewählt. Horst Köhler gegen Gesine Schwan. "Was, wird heute schon gewählt?", fragt eine blonde Frau in pinkem T-Shirt verdutzt. Ihr Begleiter, der einen Kinderwagen vor sich herschiebt, erklärt, man sei ja zum Feiern gekommen, da habe man keine Zeit gehabt, morgens noch Radio zu hören. In erster Linie ginge es ihnen darum, ihrem kleinen zweijährigen Sohn einen schönen Tag zu machen. "Hier gibt's bestimmt Ballons", meint er und das Trio verschwindet im Zelt des Bundesverfassungsgerichtes.

Doch viele wissen natürlich, dass heute die Bundespräsidentenwahl ansteht - "Der Köhler macht das schon", erklärt ein weißhaariger Mann in Jeansjacke, der mit circa 40 anderen Menschen zusammen ansteht, um am Stand der Bundesregierung am Pariser Platz, seine Tüte mit Stiften, Stickern und Info-Broschüren, abzuholen. "Er muss, sonst kommen die ja alle nicht zum Fußballgucken." Regierungssprecher Steg wird es freuen, die Mission "unpolitisches Fest" ist gelungen.

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