Fessenheim:Umstrittenes AKW bleibt am Netz

Das verschobene Aus für das AKW Fessenheim in Frankreich löst in Deutschland Ärger aus. Frankreich koppelt das Aus für Fessenheim an den Start eines neuen AKW in der Normandie. Und der dürfte frühestens 2019 erfolgen.

Von Markus Balser und Leo Klimm, Berlin/Paris

Die Entscheidung Frankreichs, das umstrittene Atomkraftwerk Fessenheim an der Grenze zu Baden-Württemberg doch nicht schnell vom Netz zu nehmen, löst in Deutschland heftigen Ärger aus. "Es ist bitter, dass die Hängepartie weitergeht", sagte Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. "Seit Jahren wird die Schließung immer wieder verschoben. Allmählich muss man sich fragen, ob es Frankreich mit der Abschaltung wirklich ernst meint."

Die Bundesregierung hatte mehrfach die rasche endgültige Stilllegung des Pannenkraftwerks bei Freiburg gefordert. Wegen Mängeln an einer Stahlhülle und Fälschungen an technischen Dokumenten mussten die zwei Reaktoren zuletzt zeitweise vom Netz. Am Sonntag veröffentlichte Energieministerin Ségolène Royal nun zwar ein Dekret über die Abschaltung der Anlage. Es knüpft das Aus jedoch an den Start des neuen Atomkraftwerks in Flamanville in der Normandie, der frühestens 2019 erfolgen dürfte. Präsident François Hollande hatte ursprünglich versprochen, das älteste Atomkraftwerk des Landes vor der französischen Präsidentschaftswahl im Mai dieses Jahr abzuschalten.

Atomkraftgegner protestieren seit Jahren gegen das Kraftwerk. Doch Frankreichs Regierung beugt sich in dem Erlass Bedingungen, die der Stromkonzern EDF für Fessenheim festgelegt hat. Er beschloss, den Antrag auf Entzug der Betriebserlaubnis erst dann zu stellen, wenn sicher ist, dass der neue Druckwasserreaktor Flamanville angefahren wird. Da an diesem schon in der Bauphase schwere Mängel entdeckt wurden, dürfte er frühestens in zwei Jahren starten. "Das Dekret ist so formuliert, dass es den Betrieb von Fessenheim auf Jahre hinaus zementiert", erklärte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Sonntag in Stuttgart. In dieser Form sei es "mehr eine Betriebserlaubnis als ein Abschaltdekret."

Die Regierung in Paris verteidigte die Entscheidung. Sie wolle die Abschaltung nun zumindest einleiten und "unumkehrbar" machen, sagte Royal. Doch ob das gelingt, hängt auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahl ab. Der konservative Kandidat François Fillon und die Rechtsextreme Marine Le Pen wollen das Dekret rückgängig machen; der Sozialliberale Emmanuel Macron möchte Fessenheim schließen.

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