Fernsehen:Der Alte

Fernsehen: Bewährte Kraft: Thomas Gottschalk wird bis 2023 "Wetten dass...?" moderieren.

Bewährte Kraft: Thomas Gottschalk wird bis 2023 "Wetten dass...?" moderieren.

(Foto: Tom Weller/dpa)

Warum so viele deutsche TV-Moderatoren im Rentenalter sind.

Von Aurelie von Blazekovic

Im September 1987 vollzog sich im Unterhaltungsfernsehen ein historischer Wechsel. Frank Elstner, der Erfinder von Wetten, dass ..?, gab seine große Samstagabendshow in die Hände eines jungen Kollegen, Thomas Gottschalk, des Sonnyboys vom Bayerischen Rundfunk. Gottschalk war damals 37 Jahre alt, das ist aus heutiger Fernseh-Sicht ein jugendliches, beinahe ein kindliches Alter für einen Moderator. Gottschalk war der Aufgabe offenbar gewachsen, sonst wäre er nicht bis 2011 dabeigeblieben und würde nun nicht sogar bis 2023 weitermoderieren, wie das ZDF am Montag bekannt gab.

Moderatoren, die 37 oder gar jünger sind, muss man im heutigen Fernsehen suchen. Stattdessen findet man nicht wenige, die schon in den Achtzigerjahren in deutsche Wohnzimmer sendeten: Gottschalk, 71, Jan Hofer, 71, Günther Jauch, 65. Vertraute Gesichter, die an Beliebtheit nicht verloren haben. In den Sendern war der ein oder andere trotzdem überrascht vom großen Quotenerfolg, den das ZDF im November mit der Wiederauflage von Wetten, dass ..? hatte. Dass man noch 13,8 Millionen Menschen vor einer Retro-Unterhaltungssendung versammeln kann? Sicher, das Publikum altert, aber war Jugend nicht mal ein Wert an sich?

Mag sein, dass sich Gottschalks Generation auch im Rentenalter jugendlichen Charme erhalten hat. Wahrscheinlicher ist aber, dass Menschen sich in unseren unsteten Zeiten inmitten von Corona- und Klima-Krise, einer Zukunft, für die es viele düstere Prognosen gibt, zurücksehnen. In eine Zeit, als die Familie sich am Samstagabend noch stritt, ob dieser Gottschalk nun ein toller oder ein nicht auszuhaltender Moderator ist - und nicht darüber, worüber man lachen darf, ob man sich impfen muss, noch fliegen darf. Früher war es leichter, die vielleicht beständigste gefühlte Wahrheit aller Zeiten.

Ganz ungefühlt ist es aber so, dass das Lagerfeuerfernsehen verfrüht abgeschrieben wurde. Sendungen also, über die man in Familien, auf der Arbeit oder in der Schule reden kann, weil sie alle gesehen haben. Fernsehen kann gemeinsame Erlebnisse liefern, die eine Gesellschaft ein bisschen zusammenbinden. Solche Sendungen wurden nur jahrelang nicht mehr konzipiert, weil man nicht an sie glaubte, weil man sich einig war, dass sich das Publikum immer mehr ausdifferenziert, die Menschen online in ihren eigenen medialen Welten leben. Das stimmt, aber die Pandemie zeigte auch, wie schön es war, wenn die ganze Welt für ein paar Tage über die Dokureihe "Tiger King" sprechen konnte oder über die südkoreanische Serie "Squid Game", beides von Netflix.

Im deutschen Fernsehen setzt man für den Lagerfeuereffekt jetzt auf altbekannte Gesichter. Das funktioniert erst mal, ist aber keine weitsichtige Strategie, und auch eine, die ein großes Versäumnis offenbart, nämlich fehlenden Mut und Vertrauen für junge Fernsehmacher. Die Ü40-Generation der Jan Böhmermanns, Joko Winterscheidts und Linda Zervakis' gibt es. Aber wer gibt heute 30-jährigen Moderatoren eine Chance, nicht nur in Youtube- und Jugendformaten, sondern auf der ganz großen Bühne? Als 1976 die allererste Fernsehsendung von Thomas Gottschalk ausgestrahlt wurde, "Szene" im Ersten, war er 25 Jahre alt.

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