Fernsehauftritt des französischen Präsidenten:Sarkozy will als Reformer glänzen

Seine Umfragewerte für die Wahl im Frühjahr sind desaströs, die sozialistische Opposition jubiliert: Mit späten Reformversprechen will Frankreichs angeschlagener Präsident Nicolas Sarkozy die Wähler überzeugen, es noch einmal mit ihm zu versuchen. Bei der Finanztransaktionssteuer zum Beispiel prescht Sarkozy in der EU vor.

Stefan Ulrich, Paris

In Frankreich wird kolportiert, ein Lieblingsfilm Nicolas Sarkozys sei Robert Bressons Werk "Ein zum Tod Verurteilter ist entflohen". Der Titel klingt programmatisch für das, was der französische Präsident vorhat. Seine Umfragewerte für die Wahl im Frühjahr sind desaströs, die sozialistische Opposition jubiliert, die Konservativen klagen.

France's president Sarkozy is seen in still image taken from video as he speaks of economic reforms on national TV in Paris

Acht verschiedene TV-Sender übertrugen live aus dem Élysée-Palast: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kündigte kurz vor der Wahl umfangreiche Reformen an.

(Foto: REUTERS)

Sarkozy aber ist kein Mann, der aufgibt. Am Sonntagabend startete er den Versuch, den Trend zu drehen. Mit einem Fernsehauftritt am Abend wollte er seine "chers compatriotes" überzeugen, es noch einmal mit ihm zu versuchen. Er versprach mehr Jobs, Wohnungen und Steuern. Seine Präsidentschaftskandidatur erklärte er noch nicht, betonte jedoch, sich seinem "Rendez-vous mit den Franzosen" nicht zu entziehen.

Acht verschiedene TV-Sender übertrugen die Sarkozy-Show live aus dem in Gold und Purpurrot gehaltenen Festsaal des Élysée-Palastes - ein Rekord. Eine Premiere war es auch, dass ein Präsident so kurz vor der Wahl noch schnell umfangreiche Reformen ankündigte. Sarkozy sieht sich da als französischer Gerhard Schröder. Nach dem Vorbild des früheren deutschen Kanzlers, den er als "Mann mit großen Qualitäten" bezeichnete, will der Präsident mit unpopulären aber notwendigen Maßnahmen die Wirtschaft ankurbeln. Er hofft dabei - im Gegensatz zu Schröder - zu siegen.

Der Präsident, der einen ebenso angespannten wie entschlossenen Eindruck machte, kündigte an, Steuern zu erhöhen, um die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern. Anders als Deutschland leidet Frankreich an einem hohen Handelsbilanz-Defizit. Viele Firmen sind international nicht mehr konkurrenzfähig und müssen schließen. Die Arbeitslosigkeit ist mit einer Quote von 9,3 Prozent so hoch wie seit zwölf Jahren nicht mehr.

Sarkozy nennt Deutschland als Vorbild

Sarkozy will nun den Mehrwertsteuersatz um 1,6 Punkte auf 21,2 Prozent anheben. Die Steuer auf Finanzeinkommen soll um zwei Prozentpunkte steigen. Die Mehreinnahmen von 13 Milliarden Euro werden dazu genutzt, die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu senken. Zudem will der Präsident die Arbeitszeit in Frankreich - dem Land der 35-Stunden-Woche - flexibler gestalten. So soll es möglich werden, durch Betriebsvereinbarungen die Arbeitszeit je nach Geschäftslage zu erhöhen oder zu senken.

Sarkozy nannte bei all diesen Ankündigungen Deutschland als Vorbild. Er beklagte, anders als in der Bundesrepublik würden französische Unternehmen zu wenige junge Leute ausbilden. Firmen, die sich ihren Pflichten entziehen, will er künftig schärfer bestrafen. Außerdem verhieß der Präsident, den Wohnungsbau zu fördern. Dazu soll das Baurecht pauschal um 30 Prozent ausgeweitet werden. Schließlich verkündete er, Frankreich werde von August an eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent einführen, die für alle Firmen gelte, die ihren Sitz im Land haben. Man wolle so anderen Staaten ein Beispiel geben.

Die Opposition hat sich bereits daran gemacht, Sarkozys letzte Reformrunde vor der Wahl zu zerpflücken. Die Gewerkschaften und die Sozialisten kritisierten, die Erhöhung der Mehrwertsteuer sei ungerecht, da sie alle Menschen, also auch die Armen, belaste. Zudem werde die Kaufkraft geschwächt und die Konjunktur belastet. Wirtschaftsexperten bezweifeln, dass der Umfang der Sozialabgaben-Ermäßigung ausreiche, um spürbar mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

Hilfe aus Berlin

Grundsätzliche Kritik an Sarkozys Vorstoß übt François Bayrou, der in den Umfragen kräftig aufholende Kandidat der Zentristen. Er fragt, warum der Staatschef erst jetzt, am Ende seines Mandats, solche Reformen ankündige. Die Pläne seien weder legitim noch gerecht. Auch sei es "anormal", dass Sarkozy acht TV-Kanäle monopolisiere, kein Zuschauer könne ihm so entkommen.

Während er also von vielen Seiten bedrängt wird, erhält Sarkozy Hilfe aus Berlin. Am Samstag kündigte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bei einem Treffen der Präsidentenpartei UMP in Paris an, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werde den französischen Staatschef im Wahlkampf unterstützen. Sarkozy sei heute und in Zukunft "der richtige Mann im Élysée-Palast". Die Kanzlerin werde im Frühjahr zu gemeinsamen Wahlkampfauftritten nach Frankreich kommen. Merkel und Sarkozy müssten auch künftig die Führung bei der Lösung der Schuldenkrise übernehmen. Sarkozy revanchierte sich im TV-Interview am Sonntagabend, indem er die deutsch-französische Aussöhnung als "Schatz" bezeichnete, den niemand in Frage stellen dürfe.

Ungewöhnlich scharf kritisierte Gröhe den sozialistischen Kandidaten François Hollande. Falls die Franzosen Hollande wählten, werde das die Zusammenarbeit erschweren. Der Sozialist habe "verstaubte Konzepte und linke Umverteilungspläne" und sei "ein Hemmschuh" für die Entwicklung der Europäischen Union. Merkel ist in Frankreich wegen ihrer energischen Führung in der Euro-Krise geschätzt und beliebt. Die Frage ist jedoch, ob die Franzosen eine derart deutliche Einmischung in den Wahlkampf wünschen. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Kanzlerin von Mai an mit Hollande im Élysée vorlieb nehmen muss. Der Sozialist erwiderte auf die Attacken aus Deutschland, es stehe Frau Merkel frei, Sarkozy zu unterstützen. Er, Hollande, werde im Fall seiner Wahl dennoch vernünftig mit der Kanzlerin zusammenarbeiten.

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