Argentinien:Die delikate Mission des Herrn Fernández

Argentinischer Präsident Fernández besucht Berlin

Es ist eine schwierige Mission für Argentiniens Präsident Alberto Fernández (rechts): Er sucht Unterstützung für die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds.

(Foto: dpa)
  • Argentinien ist sehr hoch verschuldet, die Verbindlichkeiten belaufen sich auf mehr als 300 Milliarden Dollar, das sind mehr als 90 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.
  • Die Wirtschaft liegt am Boden, viele Argentinier rutschen unter die Armutsgrenze, manche müssen gar Hunger leiden.
  • In dieser Situation versucht der neue Präsident, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und einen Zahlungsaufschub beim Internationalen Währungsfonds herauszuhandeln. Dafür umwirbt er vor allem die Europäer - und besuchte nun Kanzlerin Merkel.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires, und Benedikt Peters, Berlin

Die Hände verraten, für wen es hier wirklich um etwas geht. Während ihre ganz ruhig daliegen, zucken seine immer wieder nervös. Montagabend im Bundeskanzleramt: Die deutsche Regierungschefin Angela Merkel empfängt den argentinischen Staatspräsidenten Alberto Fernández. Dieser holt tief Luft und sagt: "Es ist sehr wichtig für uns, in Deutschland zu sein."

Es ist die zweite Station von Fernández' Europareise, zuvor traf der neue argentinische Präsident die Regierung in Italien - und natürlich den Papst, der ja auch Argentinier ist. Nach dem Besuch in Berlin geht es nach Frankreich und Spanien. Fernández' Mission ist dringlich: Wieder einmal plagt Argentinien ein gigantischer Schuldenberg, insgesamt mehr als 300 Milliarden US-Dollar, erneut ist von dem Risiko eines Staatsbankrotts die Rede. Nun sollen die europäischen Länder helfen. Nicht mit noch mehr Geld, sondern mit mehr Zeit.

Fernández hofft, dass Merkel und ihre Kollegen aus Spanien und Frankreich ihr politisches Gewicht einsetzen, damit der Internationale Währungsfonds, bei dem Argentinien mit 44 Milliarden in der Kreide steht, einem Zahlungsaufschub zustimmt. Schließlich wolle Argentinien seine Schulden ja gerne bezahlen, so das Mantra, das Fernández seit Wochen wiederholt. Allerdings müsse man dafür erst mal die heimische Wirtschaft in Schwung bringen - und genau das ist das Problem.

Armenspeisungen werden überrannt, Kinder sterben an Hunger - eine Tragödie

Schon Fernández' Vorgänger im Amt, der marktliberale und konservative Mauricio Macri, ist an dieser Aufgabe grandios gescheitert. Er hat Fernández einen riesigen neuen Schuldenberg hinterlassen und ein Land am Abgrund. Die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosenzahlen steigen, und in den Supermärkten werden die Preisschilder fast täglich ausgewechselt. Die Inflation in Argentinien ist heute die dritthöchste der Welt, und ein Drittel der Bevölkerung ist unter die Armutsgrenze gerutscht.

Die Folgen kann man zum Beispiel beim Fleischkonsum sehen: 51 Kilo Rind aß jeder Argentinier 2019 im Schnitt, fast zehn Prozent weniger als im Jahr zuvor. Viele Argentinier können sich das traditionelle sonntägliche Grillfest nicht mehr leisten, und das ist ein Problem in einem Land, in dem Fleisch fester Bestandteil der Identität ist. Noch gravierender ist allerdings, dass bei immer mehr Menschen das Geld nicht einmal mehr für irgendeine Mahlzeit reicht. Armenspeisungen werden überrannt, Kinder sterben an Hunger - eine Tragödie, schließlich war Argentinien einmal eines der reichsten Länder der Welt. Auch heute noch gibt es unendlich weite fruchtbare Felder, reiche Mineralien-, Gas- und Ölvorkommen sowie eine verhältnismäßig gut entwickelte Industrie.

Deutsche Firmen wissen das durchaus. Sie machen seit vielen Jahrzehnten gute Geschäfte in Argentinien, selbst in Krisenzeiten. So hat Volkswagen seit den 1980erJahren Standorte im Land und baute diese selbst dann noch aus, als Argentinien 2001 in die bislang schwerste Wirtschaftskrise seiner Geschichte steuerte. Dieses Engagement hat sich gelohnt. Steigt man in der Hauptstadt Buenos Aires in ein Taxi, ist dieses meist ein Volkswagen Modell Suran, und auf dem Land ist der Pick-up Amarok omnipräsent.

Bei Fernández' Deutschlandbesuch sicherte der deutsche Autobauer weitere 800 Millionen Euro zu, die man in Argentinien investieren wolle. Auch andere deutsche Firmen seien durchaus bereit, mehr in Argentinien zu investieren, betonte Kanzlerin Angela Merkel. Helfen könnte dabei das noch nicht ratifizierte Handelsabkommen zwischen Europa und den Ländern des lateinamerikanischen Staatenbündnisses Mercosur. Die deutsche Kanzlerin ist erklärte Befürworterin, der argentinische Präsident dagegen skeptisch. Doch auch Fernández weiß, dass er nicht allzu wählerisch sein darf, will er die Wirtschaft ankurbeln.

Wie genau er das machen will, das haben er und seine Minister auch in Berlin nicht verraten. Stattdessen betonen der argentinische Präsident und sein Kabinett immer wieder, dass sie sich dabei nicht hereinreden lassen wollen. Vor allem private Gläubiger beunruhigt das. Sie wüssten gerne, was Fernández vorhat, bevor sie dem Land einen Zahlungsaufschub gewähren.

Umso wichtiger ist für die argentinische Regierung internationale Unterstützung. Bundeskanzlerin Merkel sagte in Berlin, die Bundesregierung werde prüfen, wie Deutschland und Europa "unterstützend und hilfreich" in die Schuldenkrise eingreifen könnten. Schließlich lächelt die Bundeskanzlerin, als der argentinische Staatschef ihr Grüße von seinem Landsmann Papst Franziskus überbringt. Dieser habe "sehr angetan, mit viel Zuneigung" von ihr gesprochen.

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