Süddeutsche Zeitung

Feminismus-Kontroverse:Opposition knöpft sich Kristina Schröder vor

Nach Alice Schwarzer watschen SPD, Grüne und Linke Frauenministerin Schröder für ihre Feminismus-Äußerungen ab. Auch sie meinen: Die Jung-Konservative ist eine Fehlbesetzung.

Oliver Das Gupta

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sieht sich wegen ihrer feminismuskritischen Äußerungen wachsender Kritik ausgesetzt. Den geharnischten Sätzen der Feministin und Publizistin Alice Schwarzer, die Schröder Inkompetenz und "Stammtischparolen" vorgeworfen hatte, folgt nun die gemäßigte Kritik der Opposition im Bundestag.

Die Parteichefs von Grünen und Linkspartei, Claudia Roth und Gesine Lötzsch, sowie SPD-Vize Manuela Schwesig äußern sich in einem wesentlich moderateren Ton als Schwarzer zu der Causa. Allerdings stimmen sie der Emma-Gründerin in einem Punkt zu: Sie halten Kristina Schröder für eine Fehlbesetzung.

"Die Politik von Frauenministerin Schröder ist seit ihrem Amtsantritt vor allem eine traurige Retro-Veranstaltung", sagt die Grünen-Vorsitzende Roth zu sueddeutsche.de. "Nachdem sie de facto die Mittel für Projekte gekürzt hat, die sich um die Bekämpfung von Rechtsextremismus kümmern, kommt sie nun mit einer Verunglimpfung des Feminismus um die Ecke." Dies sei "kleingeistig". Von der Familienministerin seien bislang "keinerlei Impulse für die Gleichstellungspolitik ausgegangen", klagt Roth. "Aber für Frau Schröder kommt ja die Gleichberechtigung sowieso irgendwann und irgendwie von selbst, sie lebt in den Vorstellungswelten der Union der achtziger Jahre."

Besonders stört die Grünen-Chefin Schröders "Diffamierung" von Frauenquoten. Roth fordert von der CDU-Ministerin Schröder eine "moderne Frauenpolitik, die dafür sorgt, dass Frauen in Führungspositionen kommen, für gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden und eine echte Chance bekommen, Beruf und Kinder vereinbaren zu können".

Ähnlich äußert sich die Vorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch. Die Parteichefin meint, dass Ministerin Schröder nach einem Jahr im Amt nicht positiv in Erscheinung getreten ist: "Sie ist mir bisher nur durch soziale Kälte aufgefallen", schimpft die Linke im Gespräch mit sueddeutsche.de und verweist auf die Streichung des Elterngeldes für arbeitslose Mütter. Lötzsch: "Schröder kämpft nicht für junge Mütter, sondern liefert sie dem Finanzminister aus."

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig attestiert Schröder fehlende "Empathie" für das Thema Frauenpolitik. Im Gespräch mit sueddeutsche.de würdigt Schwesig die Verdienste der Frauenbewegung: "Die Feministinnen haben viel erreicht, was heute für uns Frauen selbstverständlich ist." Das, was die Ministerin im Spiegel zu der Causa von sich gegeben habe, geißelt Schwesig als "Unsinn", Schröder habe keinerlei Verständnis für die historische Bedeutung des Feminismus.

Kristina Schröders Kritik am Feminismus im Allgemeinen und Alice Schwarzer im Besonderen erklärt sich die SPD-Frau damit, dass sich Schröder auf Kosten der Frauenbewegung profilieren will: "Sie hat keine eigenen Inhalte und versucht, sich mit dieser billigen Abgrenzung bekannt zu machen." Schwesig, die als Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern auch für Familienpolitik zuständig ist, erinnert daran, dass bis zu Beginn der siebziger Jahre verheiratete Frauen die schriftliche Genehmigung brauchten, um einen Beruf ausüben zu dürfen. "Kurz: Ohne Frauenbewegung wäre Frau Schröder heute nicht Ministerin", sagt Schwesig. Die Sozialdemokratin wirft der Ministerin vor, ihren Job nicht richtig zu machen: "Was tut sie für Frauen? Nichts!"

Besonders ärgert sich Schwesig, dass Schröder Frauenquoten in Unternehmen ablehnt: "Ich weiß aus Gesprächen mit Frauen in Spitzenjobs, dass selbst die Frauen jetzt eine Quote wollen, die früher dagegen waren." Ministerin Schröder betreibe eine "rückständige Politik, die die Frauen im Regen stehen lässt".

Kristina Schröder reagierte inzwischen auf die heftige Reaktion von Alice Schwarzer via Bild-Zeitung. Dort erklärte Kanzlerin Angela Merkels Jung-Ministerin, dass sie es "schade" findet, dass "Frau Schwarzer mich gleich persönlich angreift. Das hat sie doch gar nicht nötig."

Schröder ringt sich sogar zu einem Lob durch: "Ich habe viele Bücher von Alice Schwarzer gelesen", sagt die CDU-Politikerin, darin habe sie neben Kritikwürdigem auch "Kluges" entdeckt.

Schwarzers Zorn erklärt sich Schröder so: "Leider hat Frau Schwarzer mein Interview nicht richtig gelesen", sagte die Ministerin und baut einen Seitenhieb auf die Feministin ein. "Das ist wohl der 'kleine Unterschied' zwischen uns."

Der kleine Unterschied ist ein Buch Schwarzers aus den siebziger Jahren, das Schröder in dem Interview erwähnt. Ob diese Stellungnahme aus dem Frauenministerium hilft, die Kontroverse zu entschärfen, ist zu bezweifeln.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1021431
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/jja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.