Dieselskandal, Fahrverbote, deutsche Gelbwesten - es ist noch gar nicht so lange her, da tobte ein erbitterter Kampf um die Luft in deutschen Städten. Reihenweise verzeichneten Messstellen zu viele Schadstoffe, erst zu viel Feinstaub, dann zu viel Stickoxide. Verkehrsminister wollten die Messstellen verpflanzen, Gerichte verlangten bessere Luftreinhaltepläne. Und jetzt?
Am Donnerstag hat das Umweltbundesamt die neuesten Daten zur Luftqualität vorgestellt: Sie ist so gut wie lange nicht. Feinstaub etwa, vor zehn Jahren noch ein großes Problem, ist seit vier Jahren kein Thema mehr. Keine einzige Messstation meldet mehr Überschreitungen. Ähnlich beim Stickoxid: Noch 2018 verzeichneten vier von zehn innerstädtischen Messstellen eine Überschreitung der Grenzwerte. Für 2021 rechnet das Umweltbundesamt nun noch mit höchstens fünf Ausreißern, noch sind nicht alle Stationen ausgewertet. Spitzenreiter ist zwar immer noch die Landshuter Allee in München. Doch während hier vor fünf Jahren im Jahresmittel fast 80 Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter Luft gemessen wurden, waren es 2021 noch 51. Europas Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.
Infrastruktur:Die Stadt der Zukunft
Kaum Abgase, viel Holz, alles vernetzt: Weltweit arbeiten Forscher an der perfekten Smart City. Sie soll das Leben ihrer Bewohner besser machen. Die entscheidende Frage: Wem gehören die Daten?
Vor allem verbesserte Motoren und der Einbau von Rußpartikelfiltern haben die Luft besser werden lassen, plus, in geringerem Umfang, der Rückgang des Verkehrs während der Lockdowns. Alles in allem sei das "eine gute Nachricht für Menschen, die an verkehrsstarken Straßen wohnen", sagt Dirk Messner, der Präsident des Umweltbundesamtes. "Wir haben jetzt im städtischen Raum eine Situation, wie wir sie vor zehn Jahren im ländlichen Bereich hatten." Nur ausruhen dürfe man sich auf dem Erfolg nicht.
Jährlich mehr als 53 000 vorzeitige Todesfälle durch schlechte Luft
Denn immer noch ließen sich etwa dem Feinstaub jährlich mehr als 53 000 vorzeitige Todesfälle zuordnen. Die Grenzwerte aber seien seit 20 Jahren nicht mehr verschärft worden. "Die Botschaft ist: Das sollten wir tun", sagt Messner.
Vorschläge dafür hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im vorigen September vorgelegt. Sie empfiehlt etwa für Stickoxid nicht einen Höchstwert von 50 Mikrogramm je Kubikmeter im Jahresmittel, sondern von zehn. Beim etwas gröberen PM10-Feinstaub schweben ihr 15 statt jener 40 Mikrogramm je Kubikmeter vor, die derzeit die EU im Jahresmittel vorschreibt. Beim feinen PM2,5-Feinstaub würde die WHO den Grenzwert gar auf fünf Mikrogramm runterschrauben - von derzeit 25.
Auf europäischer Ebene laufen derzeit die Konsultationen über neue Grenzwerte. Die Deutsche Umwelthilfe verlangt, sie zügig an die Empfehlungen der WHO anzupassen. "Die Grenzwerte müssen drastisch herabgesetzt werden", fordert Geschäftsführer Jürgen Resch. Mit Klagen in Dutzenden Städten und bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht hatte die Umwelthilfe vielerorts erst die Einhaltung der bisherigen Grenzwerte erstritten.
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Doch mit schärferen Vorgaben geht es ans Eingemachte, denn mit Fortschritten bei Motoren ist es dann nicht mehr getan. Beispiel Feinstaub: Zwar wird durch die wachsende Zahl von Elektroautos ohnehin noch weniger Feinstaub aus Auspuffen kommen. Allerdings entsteht von dem sehr feinen PM2,5-Feinstaub mittlerweile mehr durch Reifenabrieb auf der Straße als im Motor. Reifenabrieb aber hat auch ein E-Auto. Es müsse also weniger gefahren werden, fordert das Umweltbundesamt.
Auch der häusliche Kamin und die Holzpelletheizung kommen an die Reihe, sie sind ebenfalls relevante Feinstaubquellen. "Wir sollten darauf verzichten, Holz zu verheizen", sagt der Chef der obersten deutschen Umweltbehörde - und räumt gleich einen Zielkonflikt ein: Bisher galten die Pelletheizungen als klimafreundliche Alternative. Auch Ammoniak-Emissionen aus der Tierhaltung werden zum Problem, sie gelten als weitere Feinstaubquelle. Das Problem ließe sich aber auch lösen - über eine Verringerung der Tierbestände. "In der nächsten Stufe", sagt Messner, "müssen wir uns deutlich mehr anstrengen."