Süddeutsche Zeitung

Wahl in Berlin:Die FDP feiert in der Hauptstadt ein Comeback

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Von Stefan Braun

Darauf haben Christian Lindner und seine Mitstreiter bitter gewartet. Endlich mal wieder einen Erfolg einfahren. Die Zeiten sind nicht leicht für die Liberalen; bei den großen Themen, vor allem dem Streit um die Flüchtlingspolitik, ist derzeit für die FDP kaum ein Durchkommen. Und dann kam auch noch das Debakel von Mecklenburg-Vorpommern vor zwei Wochen; gerade mal drei Prozent - das sah schon wieder verdächtig nach Absturz und Bedeutungslosigkeit aus.

Umso wichtiger wurde es für die Liberalen, über einen Erfolg in der Hauptstadt wieder ins Gespräch zu kommen. Das ist ihnen gelungen. Vor allem dank massiver Gewinne im Westteil der Stadt. Stabil um die sechs Prozent in ganz Berlin - die Rückkehr ins Berliner Abgeordnetenhaus ist schon am frühen Sonntagabend sicherer, als es die Partei zuletzt hoffen durfte. Lindner sah denn auch überaus zufrieden aus, als er vor die Presse trat. Er lobte die Berliner Wahlkämpfer, die sich "als einzige" gegen Stillstand und für Veränderung in der Stadt eingesetzt hätten. Das Ergebnis sei "ein Signal weit über diese Stadt hinaus", so der Parteichef.

In der Flüchtlingspolitik und dem Streit drumherum konnte die FDP nur eine Mittelposition einnehmen. Das war Gift für eine Truppe, die um Aufmerksamkeit kämpfen muss. Sie konnte zwar die schweren Fehler des Bundes in der Anfangsphase der Krise kritisieren, und das versuchte Parteichef Lindner nach Kräften. Aber sie konnte der Kanzlerin zu keiner Zeit so garstig widersprechen wie die CSU, entsprechend fand sie kaum noch statt in der aufgeheizten Debatte.

Als Reaktion mühte sich die FDP an anderen Fronten, mit Positionen Gehör zu finden. So profilierte sich Lindner zuletzt als Verteidiger der großen transatlantischen Handelsabkommen. Und warnte davor, dass Europa bei einem Scheitern von TTIP und Ceta jeden Einfluss auf die Definition der weltweiten Standards verlieren könnte. Sein Vize Wolfgang Kubicki wiederum kritisierte die BND-Reform und alle Debatten über einen Einsatz der Bundeswehr im Innern. Während die Regierung stritt, versuchte die FDP, mit Überzeugungen zu punkten.

Ob das aber der entscheidende Vorteil war, kann selbst in der Parteiführung niemand sagen. Denn im Berliner Wahlkampf blieb etwas anderes hängen: die Chuzpe, mit der Spitzenkandidat Sebastian Czaja für einen Erhalt des bisherigen Flughafens Tegel warb. Tegel sei das Einzige, was in Berlin überhaupt funktioniere. Möglich, dass einer frechen Hauptstadt-FDP diesmal eine Mischung aus Pragmatismus und Ironie entscheidende Stimmen gebracht hat.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2016
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