FDP:Westerwelle oder: Die Hand, die nimmt

Lesezeit: 5 min

Nebenbei Großverdiener: Bis zu 500.000 Euro hat Hartz-IV-Kritiker Westerwelle in den vergangenen vier Jahren mit Vorträgen verdient.

Thorsten Denkler und Oliver Das Gupta

Die Frage ist im Prinzip nicht schwer zu beantworten: "Frau Homburger, was verdienen Sie im Monat?" Frau Homburger hat darauf an diesem Mittwochmorgen bei ihrem regelmäßigen Pressefrühstück keine Antwort.

Sie könne die Information gerne nachreichen, sagt sie, das sei ja alles kein Geheimnis. Bis zum späten Nachmittag ist sie dazu allerdings nicht in der Lage. Seit September ist Birgit Homburger Fraktionsvorsitzende der FDP. Am Abend teilt ihr Sprecher mit, das Einkommen "orientiert sich an den Bezügen des Bundestagspräsidenten". Genauer erfährt man es nicht.

Der Bundestagspräsident kommt mit doppelter Abgeordneten-Diät, einem Sonderzuschlag und der steuerfreien Kostenpauschale auf gut 18.000 Euro im Monat.

Auch Guido Westerwelle, Homburgers Vorgänger im Amt, dürfte kein geringeres Einkommen gehabt haben. Das scheint dem heutigen Außenminister, Vizekanzler und FDP-Parteichef aber nicht ganz gereicht zu haben, wie sich jetzt herausstellt.

Vielmehr hat Westerwelle seine Aufwandsentschädigung als Fraktionschef durch bezahlte Vorträge aufgebessert. Für den Zeitraum November 2005 bis Juni 2009, also bis kurz vor der Bundestagswahl, weisen die Seiten des Bundestages insgesamt 36 Positionen auf, bei denen er gegen Geld seine wertvollen Gedanken einem geneigten Publikum mitgeteilt hat.

Pro Rede 7000 Euro - mindestens

Jeden Vortrag bis auf einen hat er nach den Veröffentlichungsregeln des Deutschen Bundestages als "Stufe III" klassifiziert. Das bedeutet ein Honorar von mindestens 7000 Euro pro Auftritt. Macht zusammen mindestens 245.000 Euro.

Die tatsächlichen Einnahmen können jedoch um einiges höher liegen. Kenner der Szene gehen davon aus, dass Westerwelle bis zu 18.000 Euro pro Auftritt verlangen kann. Das wären dann bei 36 Auftritten rund 648.000 Euro für den Mann, der den Bezug von Hartz IV in die Nähe "spätrömischer Dekadenz" gerückt hat.

Hinzu kommen ein Sitz im Aufsichtsrat der Arag-Rechtsschutzversicherung, ein Sitz im Beirat der Deutschen Vermögensberatung AG und im Jahr 2006 ein Beiratssitz bei der TellSell Consulting aus Frankfurt. Alles für jeweils mindestens 7000 Euro pro Jahr.

Kritik entzündet sich aber vor allem daran, in wessen Auftrag Westerwelle gesprochen hat. Es sind beispielsweise Finanzdienstleister - unter anderem aus der Schweiz und aus Liechtenstein - sowie Hotels, die seine Rechnungen beglichen.

Im September 2007 hat seine Rechnung ausweislich der Bundestags-Website das Congress Hotel Seepark im schweizerischen Thun beglichen. Tatsächlich aber war Westerwelle am 25. September 2007 nicht auf Einladung des Hotels in Thun, sondern für die UBS Bank im Einsatz - als gutbezahlter Gast auf dem "UBS Podium". Die schweizerische UBS Bank steht unter Verdacht, Steuerflüchtlingen gezielt Unterschlupf zu gewähren.

Wenig Berührungsängste mit Steuerhinterziehern

Einen anderen Vortrag, wiederum in der Schweiz, hielt Westerwelle am 14. April 2007 in Zürich. Gastgeber war die private LGT Bank, die ihren Hauptsitz in Liechtenstein hat - und ebenfalls unter Dauerverdacht steht, das Geld deutscher Steuerhinterzieher zu verwalten.

Laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau soll er dort ein Honorar von 10.000 Euro inklusive Reisespesen kassiert haben. Hinzu seien 1490 Schweizer Franken, umgerechnet 1018 Euro, für die "Übernachtung der Delegation" von Westerwelle gekommen.

Klaus Ernst, der designierte Chef der Linken, sagt, an dem Geld der LGT Bank "klebt der Geruch der Steuerhinterziehung". Das störe "Westerwelle offenbar nicht".

Das Referat zum Thema "Globalisierung - Chancen aus liberaler Sicht" beim LGT-Teff hat er frei gehalten, es dürfte ihm keine großen Kopfschmerzen bereitet haben. Westerwelle hatte dort verkündet, das Phänomen der Entsolidarisierung in der Gesellschaft sei aufgekommen, weil "der Steuern- und Abgabenstaat" den Menschen das Geld aus der Tasche ziehe. Damit stieß er im Olymp der Steuerflüchtlinge offenbar auf offene Ohren.

Überhaupt scheint Westerwelle wenig Berührungsängste mit Steuerhinterziehern zu haben. Das Magazin Stern berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, Westerwelle habe sich kurz vor der Bundestagswahl in Kassel mit einem vorbestraften Steuerhinterzieher getroffen, der der Partei eine erhebliche Spende in Aussicht gestellt habe.

Fraktionschefin Homburger bestätigt, dass es so ein Treffen gab. Allerdings sei nie Geld geflossen. Auch das scheint richtig. Die Firma des Mannes soll zuvor in Konkurs gegangen sein.

Im November 2005 dann sprach Westerwelle im Auftrag des Hotelkonzerns Maritim eine Keynote zur Eröffnung des neuen Hauses in Berlin an der Stauffenbergstraße.

Westerwelle war nur Ersatzkandidat, wie Gerd Prohaska, Geschäftsführer der Hotelkette, sueddeutsche.de versichert. "Wir hatten den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, eingeladen, der aber aus terminlichen Gründen kurzfristig abgesagt hat." Westerwelle ist offenbar gerne für den Sozialdemokraten Wowereit eingesprungen.

Wie sehr ihm das Hotelgewerbe am Herzen liegt, zeigt er einige Jahre später als Minister in der neuen schwarz-gelben Bundesregierung. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen senkt sie auf Betreiben von FDP und CSU die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen.

Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, fordert Westerwelle auf, offenzulegen, wie viel Geld genau er von den einzelnen Auftraggebern bekommen habe.

Er sei zwar nicht rechtlich, aber doch als Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet. Ansonsten könne, so Oppermann, nicht überprüft werden, ob sich der heutige Außenminister in seiner Zeit als Fraktionschef habe "anfüttern" lassen, um später Politik im Sinne der Auftraggeber zu betreiben.

"Unverschämtheit"

Westerwelles Nachfolgerin Homburger weist die darin versteckte Anschuldigung schmallippig zurück. Es gebe Regeln für die Veröffentlichung solcher Nebeneinkünfte. An die habe sich Westerwelle gehalten. Ansonsten werde sie zu "solchen Unterstellungen", die sie als "Unverschämtheit" bezeichnet, nichts weiter sagen. Punkt.

Fest steht, dass Westerwelle mit seinen Nebeneinkünften eine einsame Spitzenstellung unter den sieben Fraktionsvorsitzenden der vergangenen Legislaturperiode hält. Keiner hat auch nur annähernd so viel Geld durch Vorträge und Mandate in Aufsichts- und Beiratsgremien erwirtschaftet wie er.

Auf der Liste seiner Nebeneinkünfte findet sich beispielweise auch die Eutop Speaker Agency GmbH. Westerwelle erhielt von dieser Münchner Firma mehrfach Geld für Reden: 2006 für mehrere Vorträge, 2007 dann für einen Auftritt. Honorar floss immer, wie gehabt, nach Stufe III - also mindestens 7000 Euro.

Die Redneragentur Eutop Speaker Agency gehörte damals zum verschachtelten Firmenkonglomerat des Lobbyisten Klemens Joos. Seine Lobbyfirma heißt Eutop. Zum Imperium des CSU-Mitglieds und langjährigen Schatzmeisters der Jungen Union Bayern zählte in dieser Zeit auch Polixea (vorher politikerscreen.de), ein angeblich unabhängiges Internetportal. Damals hatte Oppositionsführer Westerwelle sogar ein Polixea-Kästchen auf seiner Homepage platziert.

Als der FDP-Chef eine FDP-Position auf den Kopf stellte

Auf dem inzwischen eingestellten Portal fanden sich allerlei Gastbeiträge namhafter Politgrößen, unter anderem auch von Westerwelle. Am 27. September 2006 schrieb der Liberale auf politikerscreen.de über die Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) - und plädierte für eine "Regulierung mit Augenmaß". Das half der Deutschen Telekom bei der Frage, ob sie das Breitbandnetz VDSL ungeschützt von Konkurrenz einführen könne. "Investitionen früherer Monopolunternehmen" seien "nicht schon von vornherein wettbewerbsgefährdend", meinte Westerwelle - und stellte damit die FDP-Position auf den Kopf.

Zufall oder nicht: Die seinerzeitige Telekom-Tochter T-Online nahm Inhalte von politikerscreen.de ab; es gab einen "Content-Vertrag", wie ein Telekomsprecher sueddeutsche.de bestätigte. Und T-Online war Kunde der Lobbyfirma Eutop gewesen.

Es drängt sich also die Frage auf: Wollte der Bonner Westerwelle, der von einer Firma des PR-Unternehmers Joos für Reden honoriert wurde, dem ebenfalls in Bonn angesiedelten Joos-Kunden Telekom via politikerscreen etwas Gutes tun?

Der heutige Außenminister ließ im Dezember 2007 die Anfrage von sueddeutsche.de in diesem Punkt unbeantwortet - sein Büroleiter verwies lediglich darauf, dass die FDP-Bundestagsfraktion letztendlich doch gegen die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes stimmte, sich also gegen einen Sonderschutz für die Telekom aussprach.

Das meiste Geld aus seinen merkantilen Aktivitäten behält Westerwelle übrigens für sich; ein geringer Teil geht an die Partei. Laut den Rechenschaftsberichten der FDP von 2005 bis 2008 hat Westerwelle von 2005 bis 2008 zusammen 56.280 Euro an die Partei gespendet.

Das war wohl noch zu verschmerzen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: