FDP: Westerwelle in der Kritik:Der Problem-Guido

Die FDP stürzt ab, in Umfragen und im Ansehen. Wer glaubt, das liege nicht an Parteichef Westerwelle, der irrt. Er hat die Liberalen zu einer regierungsunfähigen Oppositions- und Protestpartei gemacht.

Thorsten Denkler, Berlin

An die 18 will heute in der FDP niemand erinnert werden. Damals im Jahr 2002 war diese Zahl ein Wundermittel. Wer mal beobachten wollte, wie an sich nicht unvernünftige Menschen plötzlich massenhaft einer spinnerten Idee hinterherrennen, der musste sich in dieser Zeit nur die FDP anschauen. Guido Westerwelle als Parteichef vorneweg.

Guido Westerwelle

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sitzt zum Sommerinterview des TV-Senders rbb vor dem Reichstag.

(Foto: APN)

Antreiber Jürgen Möllemann ist inzwischen verstorben. Aber alle anderen sind heute noch dabei, die Brüderles, die Solms und eben auch Guido Westerwelle. Er hat viel gelernt in der Zeit, auch wenn das Projekt 18 Prozent bald begraben wurde.

"Gaukle den Menschen Stärke und klare Konzepte vor und sie werden Dich wählen" - dieses Prinzip hat Westerwelle in Vollendung beherrscht. Er hat seine Wähler glauben lassen, dass alles anders werde, wenn nur die Liberalen an die Regierung kommen. Vor allem werden dann - das ist das einzige Konzept der FDP - die Steuern sinken.

In dieser Hoffnung haben 2009 selbst Arbeitslose und Gewerkschaftler in Scharen und mit Überzeugung FDP gewählt.

Gehalten haben die Liberalen bis jetzt nicht eines ihrer Versprechen. Naja, eines doch. Als erste Amtshandlung haben sie die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen gesenkt.

In der Oppositionsrolle hat Westerwelle geglänzt. Er konnte maximal staatstragend tun und zugleich rhetorisch funkelnd das Blaue vom Himmel versprechen. Das war zumindest unterhaltsamer als die doch zuweilen etwas zähe Vorstellung der großen Koalition.

In der Regierung aber schauen die Menschen genauer hin. Sie erinnern sich an einen Westerwelle, der in Oppositionszeiten viel Geld für Vorträge von Schweizer Banken bekommen hat. Nun erleben sie einen Außenminister, der den Schweizer Bankplatz verteidigt, wo sich deutsche Steuerkriminelle unter anderem ein schönes Leben machen können.

Sie bekommen einen Westerwelle zu sehen, der gerne mit Begriffen wie Anstand und Moral hantiert und genau zu wissen glaubt, was sich gehört. Und dann seinen Lebenspartner und Sporteventmanager Michael Mronz auf Reisen genau in solche Länder mitnimmt, in denen zufälligerweise demnächst sportliche Weltereignisse stattfinden werden.

Sie erleben einen Mann, der etwas von größerer Treffsicherheit des Sozialstaates fabuliert und dann den Empfang von Sozialleistungen mit römischer Dekadenz und anstrengungslosem Wohlstand in Verbindung bringt und das bis heute nicht für einen Fehler hält.

Westerwelle aber macht keine Fehler, so sieht er das. Er hat sich eingesponnen in einen Kokon umgeben von Ja-Sagern, Abnickern und Ewigdankbaren, die es immer noch nicht fassen können, dass er die FDP im September 2009 zum größten Wahlsieg in der Parteigeschichte geführt hat.

Die knapp 15 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 waren allein Westerwelles Verdienst. Der Absturz jetzt aber geht genauso auf seine Kappe. Wie auch anders. Für die Menschen verkörpert Westerwelle die FDP. Genau so wollte er es immer haben.

Immer noch Klientelpartei

Westerwelle aber hat den Menschen ein Bild von der FDP vermittelt, das er nicht durchhalten konnte. Die Steuersenkungsversprechen waren schon in dem Moment Makulatur, als er sie im Wahlkampf ausgesprochen hat. Daran nach der Wahl festzuhalten war und ist realitätsfremd.

Massive Kritik an Parteispitze aus der FDP

Die Zeit in der Regierungsverantwortung hatte sich FDP-Chef Guido Westerwelle schöner vorgestellt.

(Foto: dpa)

Westerwelle hat so getan, als wäre die FDP eine Partei für alle, eine Volkspartei. Das aber ist sie nicht. Sie ist eine Klientelpartei, in der sich die Positionen durchsetzen, die den klassischen Wählergruppen am weitesten entgegenkommen. Und das sind nach wie vor die Besserverdienenden, die sich weiter günstig privat versichern wollen und möglichst viel von ihrem guten Einkommen für sich haben möchten.

Ja, die FDP hat das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger angehoben. Eine soziale Wohltat aber war das nicht. Es betrifft kaum jemanden und dient letztlich nur dazu, die Abstiegsangst der Mittelschicht zu mildern. Ja, Westerwelle redet gerne davon, die Steuern für kleine und mittlere Einkommen senken zu wollen. Tatsächlich aber zahlen Geringverdiener kaum bis gar keine Steuern. Unterm Strich würden wieder nur die Besserverdienenden profitieren.

So langsam durchschauen die Menschen, dass Westerwelle ihnen was vorgemacht hat. Westerwelle verweist dann gerne auf das Kleingedruckte im Wahlprogramm seiner Partei. Diese Form der Unehrlichkeit gegenüber den Wählern rächt sich jetzt. Die Menschen glauben Westerwelle nicht mehr, sie vertrauen ihm nicht mehr. Auch weil er selten authentisch wirkt. Übrig geblieben sind in den Umfragen jene vier Prozent FDP-Stammwähler, die selbst dann noch FDP wählen würden, wenn es die Partei nicht mehr gäbe.

Westerwelle ist längst zu einer Karikatur seiner selbst geworden. Kaum einer, der ihn noch ernst nimmt im politischen Berlin. In Oppositionszeiten war das anders. Da war er gefürchtet, weil niemand wusste, was noch in ihm steckt. Jetzt zeigt sich: Viel ist es nicht. Ihm fehlt das Gespür dafür, dass sich das sensible Außenamt nicht mit einem polternden Parteichef verträgt.

Die Wähler laufen ihm davon und werden wohl auch so schnell nicht wiederkommen. Zumindest nicht, solange Westerwelle in der Partei das Sagen hat.

Wer wie der Hesse Jörg-Uwe Hahn oder der Saarländer Rüdiger Linsler Westerwelle jetzt auffordert, zumindest das Parteiamt niederzulegen, dem liegt mehr an der FDP, als Westerwelle sich derzeit eingestehen wird.

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