Guido Westerwelle und die FDP:Vom Hof gejagt
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Geliebt wurde Guido Westerwelle nie. Doch er schaffte es ebenso wenig, sich Respekt zu verschaffen, und das kann er nur sich selbst ankreiden. Sein Rückzug ist da vor allem eines: konsequent. Trotzdem kommt Westerwelles Schritt zu früh.
Thorsten Denkler, Berlin
Am Ende musste er viel Häme über sich ergehen lassen. Parteifreunde aus dem Bundesvorstand sprachen gar vom Igitt-Faktor, den Westerwelle auslöse. Anständig ist das nicht, markiert aber symptomatisch den Anfang vom Ende einer schillernden Politikerkarriere. An diesem Sonntag erklärt Guido Westerwelle, der Ungeliebte, im Mai nicht erneut für das Amt des Parteivorsitzenden zu kandidieren.
Es ist ein Ende mit Ansage. An den Wahlergebnissen wollte er gemessen werden, so hat er es an Dreikönig verkündet. So hat er versucht, die immer lauter werdende Kritik an seiner Person zu dimmen. Damit hat er aber auch die Wahlen in den einstigen FDP-Hochburgen Rheinland-Pfalz und vor allem Baden-Württemberg zur Abstimmung über seine eigene Zukunft gemacht.
Dass es noch schlimmer gekommen ist als gedacht, mag an Fukushima und der hektischen Atomdebatte in Deutschland gelegen haben. Doch seine Kritiker ließen sich nicht mehr mit Durchhalteparolen abspeisen. Es sollten Köpfe rollen - allen voran der von Guido Westerwelle.
Das hat er sich selbst zuzuschreiben - was für ein Auf und Ab: Erst erkämpfte er der FDP nach acht Jahren harter Arbeit den in ihrer Geschichte größten Sieg bei einer Bundestagswahl. Dann ließ der gleiche Mann die Partei innerhalb von eineinhalb Jahren auf bedeutungslose fünf Prozent schrumpfen. Spätrömische Dekadenz, Hotelsteuer, das nicht eingehaltene, weil nicht einzuhaltende Wahlversprechen von massiven Steuersenkungen - überall hat sich Westerwelle verspekuliert.
Es wurde nicht besser, als er in alter Oppositionspolitiker-Manier herumpolterte. Es wurde nicht besser, als er sich ruhig verhielt und nur den Außenminister gab. Im Gegenteil, er hat geschafft, was kein Außenminister vor ihm je hinbekommen hat: unbeliebtester Politiker zu sein.
Aus dem liberalen Steuermantra "einfach, niedrig und gerecht" hat Westerwelle ein "peinlich, biestig und verrückt" gemacht. Peinlich, wie Westerwelle verdiente Parteispender mit auf Dienstreise nahm. Biestig, wie er in der Hartz-IV-Debatte Hilfeempfänger anpöbelte. Verrückt, wie er noch von Steuersenkungen schwafelte als längst klar war, dass die Realität ihn überholt hat.
Westerwelle ist kein Opfer von politischen Meuchelmördern. Er ist - wenn überhaupt - das Opfer seiner Eitelkeit.
Die Erfolgsserie der Liberalen mit den finalen 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 hat er nicht zu Unrecht als persönlichen Erfolg reklamiert. Dahinter steckte seine Strategie, steckten seine Themen. Die Menschen haben ihm geglaubt: Er würde dafür sorgen, dass mehr Netto vom Brutto in der Tasche bleibt.
Das Ergebnis: Heute haben viele Menschen noch weniger Netto vom Brutto als vor der Wahl. Westerwelle hat die auf Steuerpolitik fixierte Ein-Thema-Partei in ihrem einzigen Thema unglaubwürdig und damit überflüssig gemacht.
Westerwelle wollte es alleine schaffen, wollte das verlorene Vertrauen zurückgewinnen und benahm sich dabei wie ein angeschossenes Raubtier. "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Sache regelt. Und das bin ich!", schmetterte er seinen Widersachern entgegen. Auch die Medien bekamen ihr Fett weg: "Ihr kauft mir den Schneid nicht ab!", raunzte er.
Jetzt haben ihm die eigenen Parteifreunde den Schneid abgekauft. Westerwelle hatte keine Chance mehr. An diesem Montag wird die Partei eine neue Führung bestimmen. Der einzige Gefallen, den er der FDP noch tun konnte, war, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Sein Rückzug ist die einzige Chance, dass sich diese ausgemergelte und frustrierte Partei erneuert.
Gerade deshalb aber kommt der Schritt ein paar Monate zu früh. Bis zu den Wahlen in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wird sich die FDP kaum berappelt haben. Das wird erst möglich sein, wenn der personellen auch die inhaltliche Erneuerung folgt.
Es wäre dem neuen Parteivorsitzenden - wer auch immer es wird - zu wünschen, dass er ohne die Bürde von voraussichtlich drei Wahlniederlagen sein Amt antreten kann.
Dass er es nicht kann, ist denen zu verdanken, die Westerwelle jetzt mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt haben. Gut möglich, dass sie damit der Partei einen Bärendienst erwiesen haben.