Süddeutsche Zeitung

FDP:Unter Männern

Parteichef Lindner hat sein Spitzenpersonal gewechselt. Doch selbst Anhänger halten die Aktion für wenig geglückt.

Von Daniel Brössler, Berlin

Das Bild bleibt. Christian Lindner steht vor der gelben Wand im Hans-Dietrich-Genscher-Haus, zu seiner Linken ein Mann und zu seiner Rechten auch. Der eine ist Volker Wissing, den Lindner zu seinem neuen Generalsekretär erwählt hat, der andere heißt Harald Christ und soll Schatzmeister werden. Während Lindner seine "personelle Neuaufstellung" präsentiert, fehlt Linda Teuteberg, die den Posten der Generalsekretärin Stunden zuvor unter starkem Druck zur Verfügung gestellt hatte. Lindner weiß, dass das eine verpatzte Inszenierung ist. Am 19. September holt die FDP ihren wegen Corona verschobenen Parteitag nach. Dann könnte Lindner dieses Bild noch einmal einholen.

Vier Tage nach diesem Auftritt im Genscher-Haus, am Freitag, ist Christian Lindner verhindert. In der Bundespressekonferenz präsentiert die FDP die Ergebnisse eines digitalen Jobgipfels. Der Parteichef überlässt das seinem Präsidiumsmitglied Michael Theurer und vor allem dem Mann, auf dem jetzt seine Hoffnungen ruhen, Volker Wissing, der ja im Hauptberuf rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister ist. Es ist ein gelassener, sachlicher Auftritt. "Wer den Anspruch auf Wachstum aufgibt, bereitet den Abstieg vor", doziert Wissing. Er meint die deutsche Industrie, aber münzen ließe sich das auch auf seine Partei. Schon gefährlich lange bewegen sich die Umfragewerte der FDP nicht sehr weit oberhalb der Fünf-Prozent-Grenze.

Schon deutlich vor der Sommerpause hatte Lindner deshalb mit jener Operation begonnen, die ihm eigentlich Luft verschaffen sollte, die nun aber nicht einmal treue Anhänger als wirklich geglückt rühmen. Den Draht zwischen Lindner und Wissing schildern beide Seiten als eng. Der Rheinland-Pfälzer gilt überdies als strategisch denkender Kopf; sein Ruf in der Partei ist gut. Bis ins Präsidium hinein aber ist Frust zu spüren über die Art und Weise, wie der Wechsel ins Werk gesetzt worden ist. Ausgetragen wurde ein Konflikt, der viele in der FDP an die häufig auch mit Indiskretionen ausgetragenen Grabenkämpfe der schlechten alten Tage erinnerte, die maßgeblich dazu beigetragen hatten, die Partei 2013 in die außerparlamentarische Opposition zu befördern. Öffentlich äußerte sich Lindner nicht, dennoch war zum offenen Geheimnis geworden, dass er sich von Teuteberg mehr erwartet hatte und er einen Wechsel auf ihrem Posten wünschte. Die Brandenburgerin, die 2019 mit fast 93 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt worden war, stellte auf stur.

Nicht einmal der Schein einer einvernehmlichen Lösung konnte gewahrt werden

Um der Darstellung zu widersprechen, mit Teuteberg gar nicht gesprochen zu haben, zückte Lindner in der Parteiführung seinen Terminkalender. Darin ist am 8. Juli ein gemeinsames Abendessen mit Vize-Parteichef Wolfgang Kubicki und Linda Teuteberg notiert. Thema: Teuteberg sollte wechseln auf den Posten einer Beisitzerin im Präsidium, verbunden auch mit der Aufgabe einer Ost-Beauftragten. Es sollte ein gesichtswahrender Ausweg sein. Tatsache allerdings ist, dass zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Medien über Lindners Pläne, Teuteberg abzulösen, berichtet hatten - gespickt mit Details über Defizite der Generalsekretärin aus Sicht des Vorsitzenden.

In der Präsidiumssitzung am Montag wartete Teuteberg dann Lindners Ankündigung ab, Volker Wissing beim Parteitag als Generalsekretär vorschlagen zu wollen. Dann erst stellte sie ihr Amt zur Verfügung mit der Begründung, der Partei eine Hängepartie ersparen zu wollen. Als Lindner mit zwei Männern und der als neuer Beisitzerin nominierten Bettina Stark-Watzinger, aber ohne Teuteberg, vor die Kameras trat, war klar: Der Versuch, zumindest den Schein einer einvernehmlichen Lösung zu wahren, war gescheitert. In Frage stand nun auch der Anspruch, den Lindner noch 2019 mit der Wahl Teutebergs verknüpft hatte - nämlich die FDP "personell breiter, vielfältiger mit unterschiedlichen Temperamenten, Themen und Talenten sichtbar" zu machen.

Zu besetzen beim Parteitag ist nun noch die Beisitzer-Stelle, die bisher Wissing innehat. Es ist die Stelle, die Lindner eigentlich für Teuteberg reserviert hatte. Nach seinen Vorstellungen soll möglichst eine Frau aus Ostdeutschland gewählt werden - was gar nicht so einfach ist. In der Bundestags-FDP ist Teuteberg die einzige. Im Gespräch ist nun die Vize-Chefin der FDP in Sachsen-Anhalt, Lydia Hüskens.

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SZ vom 22.08.2020
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