FDP und Grüne:Weg zu Jamaika

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Die Freude über die Jamaika-Option könnte kurz sein, denn die Ansichten in der FDP zu vielen wichtigen Themen sind urzeitlich.

Von Joachim Käppner

Wundertüten waren einst sehr verbreitet und enthielten, wie die Aufschrift lockend verhieß, "die große Überraschung" für jedermann: kleine Plastikritter vielleicht, Bonbons oder bunte Bastelbögen. Die Wundertüte der deutschen Parteienlandschaft nach 1945 heißt FDP. Jetzt, nach vier Jahren Pause, sind die Liberalen zurück und nach der jähen Flucht der SPD aus der Regierungsverantwortung sogar als Partner in einer Jamaika-Koalition im Gespräch. Man darf also gespannt sein, welche Überraschungen die Wundertüte diesmal enthält. Keine andere Partei im Bundestag bot so verschiedene Inhalte: Nach 1945 war sie zu Teilen eher ein Sammelbecken für Ewiggestrige, die in den Sechzigern von den Linksliberalen um Walter Scheel und Karl-Hermann Flach entmachtet wurden. Die FDP schmiedete dann mit Willy Brandts SPD das sozialliberale Reformbündnis und zeigte sich in den Freiburger Thesen von 1971 als Partei der staatsbürgerlichen Freiheiten. 1982 jedoch rettete sie sich an die breite Brust der Kohl-CDU und durfte zum Lohn weitere 16 Jahre mitregieren, doch um den Preis ihrer bürgerrechtlichen Identität. Man kannte dann die Große-Klappe-FDP und unter Jürgen Möllemann sogar kurz eine antisemitisch angehauchte FDP. Als Wesensinhalt blieb über die späteren Jahre vor allem ein Marktradikalismus erkennbar, der in der Aktienkrise von 2001 und der Finanzkrise von 2007 einiges an Überzeugungskraft verlor. Als die Partei 2013 aus dem Bundestag flog, war die Trauergemeinde überschaubar.

Nun zeigt sich die FDP mit neuem Optimismus und neuem Personal - und viel altem ideologischen Ballast. Auch der schneidige Christian Lindner kann nicht vergessen machen, dass die Partei noch immer von der neoliberalen "Der Markt wird schon alles richten"-Heilslehre durchdrungen ist, die beim Klimaschutz, der Bankenkontrolle, der Altersarmut oder der Rettung der Euro-Zone wenig mehr als altbackene Glaubensformeln zu bieten hat. Und der Versuch der FDP, im Wahlkampf auch Euro-Skeptiker von der AfD fortzulocken, hat wenig bewirkt.

Mit den Grünen, die über ihre engere Klientel nicht hinauskamen, verbindet die FDP das Schicksal, dass viele ihrer freiheitlichen Forderungen längst Gemeingut geworden sind, aus dem sich die große Koalition großzügig bediente. Den Grünen hat nicht einmal das drängende Thema des Weltklimas weitergeholfen, da war die "Klimakanzlerin" vor. Im Koalitionsfall wären die dinosaurierhaften Vorstellungen der FDP gerade in der Klimafrage übrigens ein sehr problematischer Konfliktstoff - vor allem hier müssten die Liberalen in die Wirklichkeit finden. Die Grünen wiederum wären in einem Jamaika-Bündnis, sofern es nicht an einer panisch nach rechts rückenden CSU scheitert, der kleinste und der einzige linke Partner; sie stünden vor der Aufgabe, ihre Anhänger an die harte Welt politischer Kompromisse zu gewöhnen. Doch es gibt auch eine Reihe bemerkenswerter Gemeinsamkeiten zwischen Grünen und Liberalen, auch wenn sie sich im Wahlkampf als Ökospinner hier und Partei der sozialen Kälte dort angegiftet haben. Beide vertreten im Kern ein aufgeklärtes demokratisches Bürgertum, das ist auch der Grund, warum viele CSU-Wähler in Bayern bei ihnen Zuflucht gesucht haben. Diese Wähler erwarten von der Politik mehr Partizipation, den Einsatz für Europa, eine klare Betonung der Bürgerrechte und Antworten auf die Frage nach dem Stellenwert der Menschenwürde in der digitalen Welt. Vielleicht steckt in den beiden kleinen Parteien genug Gemeinsamkeit, um aus einer Jamaika-Koalition mit der Union ein echtes Reformprojekt statt einer Notlösung zu machen. Doch setzt dies so viel guten Willen voraus, dass man nicht zu optimistisch sein sollte.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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