FDP und die Ampelkoalition:Zurück zu den liberalen Kernthemen

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Gedankenspiele über die Ampel führen nur in die Beliebigkeit. (Foto: dpa)

Die FDP diskutiert ein Dreivierteljahr vor der Bundestagswahl über eine Ampelkoalition. Das ist selbstmörderisch. Es gibt noch Menschen, die FDP wählen würden - aber die lassen sich nicht mit rot-grün-schwarzem Einerlei überzeugen.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann

Es ist erst unwesentlich mehr als drei Jahre her, dass ein SPD-Kanzlerkandidat namens Steinmeier ein erbarmenswürdiges Schauspiel aufzuführen hatte. Eine rot-grüne Mehrheit war damals, im Wahlkampf 2009, ungefähr so wahrscheinlich wie ein Direktmandat für die Bibeltreuen Christen, weshalb Steinmeier ständig über eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen redete - während die Spitze der Liberalen für die Avancen des chancenlosen Kandidaten vor allem Spott übrig hatte und Schwarz-Gelb als Mutter aller Koalitionen pries. Kurz vor der Wahl schlug die FDP Steinmeier sogar per Parteitagsbeschluss die Tür vor der Nase zu. Schwarz-Gelb gewann, die SPD stürzte ab.

Nun, ein Dreivierteljahr vor der nächsten Wahl, diskutieren sie bei den Liberalen über eine Ampel. Das ist verständlich, es geht ihnen ja demoskopisch noch miserabler als damals der SPD, bei der zumindest nicht der Einzug in den Bundestag auf der Kippe stand. Trotzdem ist das Gerede aus Sicht der FDP geradezu selbstmörderisch.

SPD und Grüne wollen die Steuern erhöhen, betroffen wären Menschen, die gut, sehr gut oder wahnsinnig gut verdienen - also all jene Einkommensgruppen, um die sich die FDP stets rührend bis aufopferungsvoll gekümmert hat. Die Grünen wollen außerdem einen deutlich höheren Hartz-IV-Regelsatz (war da nicht mal was mit "Dekadenz"?).

Und was den Mindestlohn oder die Gleichstellung der Geschlechter angeht, schrecken beide Parteien nicht vor Dingen zurück, die bei durchschnittlich geschulten Liberalen die reflexhafte Absonderung von Wörtern wie "Dirigismus" sowie "Planwirtschaft" auslösen. Vom Thema Rente mal ganz zu schweigen.

Es gibt Menschen, die FDP wählen würden

Es existieren aber da draußen im Land noch Menschen, die all das schrecklich oder zumindest ablehnungswürdig finden, was SPD und Grüne vorhaben. Es sind, dessen darf man sicher sein, sogar so viele Menschen, dass die FDP es mit deren Stimmen locker ins Parlament schaffen würde.

Man kann das nach mehreren Jahren Großkrise ja lustig finden, doch es gibt weiterhin Wähler, denen regulierte Finanzmärkte ein Graus sind, die Steuererhöhungen für den Untergang der freien Welt halten und der Meinung sind, dass man nie zu viel, wohl aber zu wenig privatisieren kann. Mit anderen Worten: Es gibt Menschen, die FDP wählen würden - wenn die sich nicht so danebenbenähme, wie sie das nun ein paar Jahre lang getan hat.

Falls den Liberalen etwas am eigenen Fortbestand liegt (Freiheit bedeutet ja auch die Freiheit zum Untergang), sollten sie also die ersten Panikerscheinungen unter Kontrolle bekommen und sich darauf konzentrieren, ihr Stammpublikum zu überzeugen. Angesichts einer Union, die auch den Mindestlohn nicht mehr schlimm findet, könnten sie daraus sogar eine Art Alleinstellungsmerkmal machen.

Gedankenspiele über die Ampel hingegen führen nur in die Beliebigkeit. Da wären dann vier Jahre außerhalb des Parlaments vielleicht genau das Richtige, um mal ganz in Ruhe über die Frage nachzudenken: FDP - wozu eigentlich?

© SZ vom 12.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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